Bin ich nach dem polnischen Holocaust Gesetz strafbar?
In dem Buch Das Geld Bd. 2 zitiere ich (nach Wikipedia und vielen anderen Quellen) zur Demonstration des Gebrauchs des Begriffs “Bankenmacht” im Antisemitismus in Fußnote 488 den “Hilferuf an die Katholiken in aller Welt” der polnischen Bischöfe nach 1920:
»Die Rasse, welche die Führung des Bolschewismus in ihren Händen hat, hat schon in der Vergangenheit die Welt mittels des Goldes und der Banken unterworfen, und jetzt, getrieben durch die immerwährende imperialistische Gier, die in ihren Adern pocht, zielt sie schon auf die endgültige Unterwerfung der Nationen unter das Joch ihrer Herrschaft …«
Nach meiner Zeitungslektüre halte ich das jetzt für strafbar – Sie auch?
Was haben die Polen verabschiedet?
Ich finde in allen großen Zeitungen und Stellungnahmen den Hinweis, die Polen hätten es per Gesetz verboten, Polen als Kollaborateure der Nazis zu bezeichnen. Israel sei empört wie auch unsere Journalisten. Bis ich den Text des Gesetzes im INternet gefunden habe dauert es. Keiner scheint sich dafür wirklich zu interessieren. Bei Standard.de finde ich ihn:
“Jeder, der öffentlich der polnischen Nation oder dem polnischen Staat faktenwidrig die Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen zuschreibt, die durch das Dritte Deutsche Reich begangen wurden, unterliegt einem Bußgeld oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Dies gilt ebenso für die Zuschreibung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Frieden sowie für Kriegsverbrechen.” Die gleiche Strafe drohe auch allen, die “die Verantwortung der tatsächlichen Täter dieser Verbrechen massiv herabmindern”.
Ich bin ernüchtert. Die Polen haben unseren Verleumdungsparagraphen 186 Strafgesetzbuch als Vorbild genomment und ihn auf Gruppenverleumdungen angewandt, eine Idee die ich auch schon hatte. Der Paragraph lautet bisher:
“Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist,… bestraft.”
Mein Zitat ist nicht strafbar
Meine Fußnote ist also nicht strafbar. Nein ich habe nicht über die bestialische Massenvernichtung von jüdischen Polen durch katholische Polen geschrieben und dabei polnische Kapos herausgestellt und suggeriert, dass “alle” an den Verbrechen beteiligt waren. Ich habe auf eine Religion aufmerksam machen wollen, die als Anti-Semitismus auftritt und ihre völkische Identifikation aus der Herabwürdigung anderer Gruppen wie Juden, Armeniern, Chinesen, Sinti und Roma und letztlich “Fremden” bezieht, wie es der immer noch “geehrte” Staatsrechtler und Anti-Semit Carl Schmitt predigte. Dagegen anzukämpfen ist aber ein langer Prozess. Er hat vielleicht bei uns gerade angefangen. Die Polen, wo fast 10% der Bevölkerung (im Deutschen Reich waren es 1933 3,8%) jüdische Wurzeln hatten, haben da früher nachgedacht und tun es noch immer. Sie sind keine Nazis.
Aber haben die Polen nicht Recht?
Es geht in der deutschen Geschichtsbewältigung doch gar nicht um Anti-Semitismus, sondern um Mord, Totschlag, systematische Deportation, Raub, Erniedrigung in einem bisher nicht gekannten geordneten Ausmass. Das aber sollte abgeschwächt, davon sollte der Zeigefinger auf andere ablenken. Die deutsche Nazi-Bewältigung bestand doch zu 50% aus solchen Verleumdungen. Die jüdischen Kapos in den KZs hätten vieles erst möglich gemacht, die Ungarn aber auch Vichy Frankreich hätten deportiert. Selbst die Italiener hätten sich beteiligt, die Schweiz niemanden mehr reingelassen, in Norwegen, Ungarn, Rumänien u.s.w. hätten staatliche Stellen mitgemacht. Dabei verwechselt man gern Anti-Semitismus mit Massenmord, wenn auf die Judenfeindlichkeit unter Stalin verwiesen wird, nachdem der russische BUND ja eher das Gegenteil gezeigt hatte.
Auch in den Niederlanden war es die örtliche Polizei, die Juden zur Deportation festnahmen. Schließlich waren es auch französische Lokführer, die die Züge fuhren und der Film Lucien Lacombe wurde in Deutschland gern gesehen. Erst taucht man unter in der internationalen Masse des Bösen und dann muß auch endlichi Schluss sein. Martin Walser hat unter dem frenetischen Ablaus von 1200 geladenen Gästen ausgerechnet 1998 in der Paulskirche diesen Schlussstrich gepredigt. Bubis nannte es eine geistige Brandstiftung und Ralph Giordano hätte daraus eine Dritte Schuld schreiben können.
Es waren die anderen
Mich hat in den 70ziger Jahren, der Zeit der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit meiner juristischen Lehrer, nichts so angewidert wie die Verwechselung von faschistischem Gedankengut und der Beihilfe zu faschistischen Verbrechen. Eine Kollegin lernte noch erst Polnisch, um das juristische Regime der Nazis unter dem Juristenführer Hans Frank auf 700 Seiten (“Fremdvölkische im Dritten Reich”) zu ergründen. Sie wurde damit als Habilitantin an der “Freien” Universität abgelehnt. 12 Jahre deutscher Geschichte reichten für eine juristische Habilitation nicht aus. Man hielt zusammen. Sie konnte erst in der Schweiz habilitieren und an einer Fachhochschule lehren. Unsere jur. Fakultäten waren ihr verwehrt. Damals hätte ich gerne alle die mit Bußgeldern belegt gesehen mit den drei Argumenten: wir haben nichts gemacht, falls doch, haben wir es nicht gewußt und falls auch das nicht stimmt, waren wir dazu gezwungen. Vorher hatte man schon das Argument der Holocaust-Lüge – es war doch nichts – im Majdanek und im Ausschwitz-Prozess verschlissen. Heute dominiert zum SChutz der Väter und Opas das Kinderargument: die anderen haben das auch gemacht. Das Argument ist beim Holocaust das Schlimmste: man rechtfertigt die Verbrechen indirekt und begeht sie damit noch einmal.
Respekt nicht nur im Fußball
Man mag die Polen nicht mögen und im Fernsehsketch als Autodiebe ansprechen, es für Dünnhäutigkeit halten, wenn ihre historischen Zerschlagungen und Aufteilungen zwischen Preußen, Österreich und Rußland hervorkommen. Man mag nicht verstehen wollen, warum ein demokratisches Europa nicht nur ein Volk, sondern viele braucht, die auf ihr demos stolz sein möchten. Deutschland hat sich dieses Selbstbewußtsein wahrlich auf Kosten anderer teuer erkauft. Es scheint so, als ob Osteueropa etwas Zeit braucht und auch das Recht braucht, Fehler zu machen. Arroganz jedenfalls brauchen sie nicht und ständige Belehrungen über Demokratie aus dem ihnen nicht unbekannten Nachbarländern auch nicht. Das schließt nicht Diskussion und Gegenmeinung aus, aber es braucht Respekt.
Ein Anfang wäre gemacht, wenn unsere Zeitungen wenigstens den Text bringen würden, über den sie so viel schreiben können.