Der Berliner Finanzsenator Kollatz (SPD) hat der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes die Gemeinnützigkeit für die Vergangenheit entzogen. Dies kann bis zu 10 Jahre Rückforderung der Mehrwertsteuer und Haftung gegenüber Spendern bedeuten, denen die Abzugsfähigkeit aberkannt wird.
Entzug der Gemeinnützigkeit
Die deutsche Gemeinnützigkeit ist ein scharfes Schwert in der Hand einer Behörde, die das Recht erhält, rückwirkend festzustellen, dass eine immer schon gemeinnützige Tätigkeit dies nun nicht mehr ist. Mehrwertsteuerreduktion und Absetzen von Spenden entfallen bis zu dem Zeitpunkt der letzten Bescheinigung, die niemals für die Zukunft gilt. Damit sind die Finanzbehörden und -gerichte ohne entsprechende Ausbildung in der Frage, was unsere Demokratie eigentlich am Leben erhält, zu Scharfrichtern einer kritischen Öffentlichkeit geworden.
Ich habe dies am eigenen Leibe erfahren müssen, als wiederholt dem iff e.V. die Gemeinnützigkeit aberkannt werden sollte. 79.000 € angekündigte Rückforderung hätte uns den Garaus gemacht. Ursache war einmal ein unzuständiges Finanzamt, ein anderes Mal eine damals noch informelle Liste des Finanzminsiteriums, in der zwar die Rassehundezucht nicht aber der Verbraucherschutz als gemeinnützig angesehen wurde. Nur Verbraucherberatung war aufgeführt. Alle Anwälte wären konsequent gemeinnützig geworden, die Verbraucherzentralen hätten sieverloren. Das sah man dann letztlich auf höherer Ebene ein und fügte Verbraucherschutz hinzu. Eine Ahnung, was sie der Verbraucherpolitik antaten hatten die beiden Rückforderungspunkte sammelnden Finanzbeamten damals nicht.
Gemeinnutz contra Eigennutz
Doch das Problem liegt tiefer. Es gibt in der Rechtsprechung der Finanzgerichte eine Tradition, dem Gemeinnutz eine Art Sonderstellung in der Demokratie einzuräumuen, und dem auf die Institutionen des Staates gerichteten politisches Handeln dagegen Eigennutz zuzuschreiben. Das ist nicht neu. Punkt 24 des Parteiprogramms der NSDAP lautete: “Gemeinnutz geht vor Eigennutz”. Kollektives und damit interessegeleitetes Handeln, wie es inzwischen im kollektiven Verbraucherschutz und Tarifvertragsrecht anerkannt ist, darf es nicht geben.
Die Nationalsozialisten sahen zudem in den unpolitische Beamten-, Richter-, Offiziers- und Unternehmerkasten tragende Säulen des Staates Im Anschluss an Ernst Fränkel (Der Doppelstaat 1942), und Franz Neumann (Behemoth 1944) kann man diese selbsternannten Unpolitischen, die als Richter, Beamte und Offziere so viel Unrecht schafften, als Ordo-Faschisten bezeichnen. (vgl. Reifner, Das Recht des Unrechtsstaates, 1981, S. 71 ff) Hannah Arendt hat den Beamten dieses Staates, die wie Eichmann der Effektivität statt dem Inhalt des Bösen Aufmerksamkeit schenkten, Banalität vorgeworfen. Wer diese Geschichte studiert hat, wird kaum verstehen, warum Finanzbeamte und -richter darüber entscheiden sollen, welches politische Engagement unserer Demokratie nützt und damit letztlich den einzigen legitimen Gemeinnutz ergibt. Ein Blick in §52 EStG macht die Hilflosigkeit deutlich, mit der der Staat glaubt, seinen Behörden das Recht anzuvertrauen, an Hand einer Liste von Gemeinplätzen per Verwaltungsakt zwischen Politik und Gemeinnützigkeit zu unterscheiden.
Beamte bestimmen das Politische bei Attac, Compact und VVN?
Die Stigmatisierung von Attac, Compact und VVN als eigennützig erscheint banal. Doch ob die Entscheider in Verwaltung und Gerichten sich ihrer gesellschaftlichen Wirkungen bewußt sind kann man bezweifeln. Die SPD hat dabei ihr Geschick, schlimme Dinge zu machen, um sie dann so zu begrenzen, dass man ihr die Ablehnung glauben könnte, wenn sie letztlich damit nicht implizit das Schlimme diesseits der Grenzen legitimieren würde.
§52 EstG (Auszüge)
“(1) Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.
(2) 1. die Förderung von Wissenschaft und Forschung; (Rüstungsforschung?); 2. die Förderung der Religion (Scientology?); 5. die Förderung von Kunst und Kultur (Kunstsammler?) 21. die Förderung es Sports (Schach gilt als Sport) (DFB?; ADAC?); 22. die Förderung der Heimatpflege und Heimatkunde (Pro Chemnitz?); 23.die Förderung der Tierzucht (Kampfhunde?), der Pflanzenzucht, der Kleingärtnerei, des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings, der Soldaten- und Reservistenbetreuung, des Amateurfunkens, des Modellflugs (Drohnen?) und des Hundesports;
10. die Förderung der Hilfe für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte; 13. die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens; 24. die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich dieses Gesetzes; hierzu gehören nicht Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind; 25. die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke.”