Vertreibung statt Remigration

Die AfD kaschiert ihr Bestreben, von ihr definierten Mitbürger: innen den Aufenthalt in Deutschland unmöglich zu machen, mit dem Begriff der Remigration. Gemeint ist die zwangsweise Umsiedlung hoffähig. Sie ist nur eine Form der Migration. Auf den Massendemonstrationen gegen Rechts wird stattdessen u.a. von Fridays for Future der Begriff der Deportation eingeführt. Die AfD verwendet den Begriff nicht in der Öffentlichkeit. Ihr „Ausländer raus“, „Deutschland den Deutschen“, wird in der Öffentlichkeit als „Rückführung Ausreisepflichtiger“ und Ausweisung nicht assimilierbarer Bürger:Innen mit Migrationshintergrund verstanden. Die Aufzählung von Gruppen ist unübersichtlich, willkürlich und stiftet Verwirrung. Ihr ist es gelungen, den Begriff der Remigration in den Mittelpunkt zu stellen. Man sollte stattdessen von Vertreibungsfantasien sprechen.

Unwort des Jahres?

Die Gesellschaft für deutsche Sprache und ihr folgend weite Teile in Politik und Presse gehen daher den umgekehrten Weg. Sie erklären Remigration zum „rechten Kampfbegriff“ und als „Tarnvokabel“ zum Unwort des Jahres 2023. Auf diese Weise erhält die AfD ein wichtiges Wort  geschenkt. Genüsslich verweist Czupalla auf Wikipedia und die Wissenschaft. In der Tat bezeichnet das aus den lateinischen „Re“ (zurück) und „migrari“ (wandern) zusammengesetzte Wort, nichts Anrüchiges. IN der Umgangssprache hat es sich im deutschen Wort Emigration, dem englischen migration und dem französischen émigrer durchgesetzt. Nichts anderes ergibt sich aus der Definition der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Wort beschreibt z.B. auch die Rückkehr etwa von Juden nach Israel, von Tutsi in Ruanda oder der Rückkehr italienischer Gastarbeiter aus Deutschland in den 1970zigern.

Der Weg, das Wort Remigration mit der AfD-Ideologie so zu identifizieren, dass seine Nutzung den Verdacht der völkischen Naziideologie heraufbeschwört, ist gefährlich. Demokratie lebt von der rationalen Diskussion. Typisch für vor allem faschistische Diktaturen ist es, menschenverachtende Ziele in scheinbar technische und wertneutrale Begriffe einzukleiden. Das gelingt der Rechten weltweit mit dem Aufladen und Missbrauch von Begriffen wie „Volk“, „Tradition“, „Mensch“, „Nation“, „Wehrhaftigkeit“, „Recht“ u.s.w. Anstatt den faschistischen Gebrauch dieser Begriffe zu entlarven, sie für den demokratischen Diskurs zurückzuerobern erliegt man der Versuchung, die Begriffe auszusortieren, mit negativen Werten zu besetzen oder Übersetzungen zu unterstellen, die ihren einseitigen Gebrauch ins Extreme bringen.

Deportation?

Auf diese Weise hat die Presse den AFD-Slogan von der Remigration in die Forderung nach Deportation umgedeutet. Das hat den Vorteil die Verbindungen zwischen NS-Ideologie und AfD deutlicher zu machen. Die Forderung nach Remigration wird damit in den Zusammenhang der Beschlüsse zur Deportation von Juden auf der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 gestellt. Die AFD (Lena Kotré) hält dies für eine „linksextreme“ „Schmutzkampagne“.

In der Tat lässt sich das Wort in den Stellungnahmen nicht nachweisen. Anklänge an den Holocaust meidet die AFD. Sie ist noch nicht so weit. Wer von der faschistischen Natur der AFD Führung noch nicht überzeugt ist, wird sich nicht nur an der Zuschreibung stören. Deportation bezeichnet auch nicht die Politik der Ausgrenzung, sondern ersetzt sie durch eine Methodik ihrer Durchführung, die was zuzugeben ist, den Zwangsfantasien der AFD durchaus entspricht, doch von den Deportationen in Viehwagons unter Hitler und Stalin deutlich entfernt bleibt und zudem auch das Nazi-Ziel der Ausrottung nicht teilt. Wähler und Mitglieder, die die AFD für eine konservative Partei halten, werden von solcher Berichterstattung provoziert. Ein Entlarvungseffekt wird nicht erzielt.

Remigration kennt keinen Zwang

Das ist aber auch nicht nötig. Tatsächlich missbraucht die AFD Begriffe. Sie benutzt daher auch nicht den korrekten deutschen Begriff der „Rückwanderung“, sondern die lateinische Version.

Damit profitiert sie von einer beschämenden Schwachstelle der deutschen Ausländerpolitik, die in der Einwanderung immer noch etwas grundsätzlich Problematisches sieht. Während die Fernsehsender deutsche „Auswanderer“ mit Kameras begleiten, kennt das Gesetz die Einwanderer nur im FachkräfteeinwanderungsGesetz. In §1 Aufenthaltsgesetz sind dagegen wertneutral der „Zuzug von Ausländern“ und ihre „Zuwanderung“ geregelt.

Der entscheidende Missbrauch des Wortes Remigration resp. Rückwanderung liegt darin, dass die AFD die deutsche Sprache nicht ernst nimmt. Wandern bzw. Migration umfassen keine zwanghaften Prozesse. „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und nicht der Truppeneinmarsch der Deutschen in die Nachbarländer im zweiten Weltkrieg. Will man auch vor Zwang nicht zurückschrecken, wie die berühmten „Anreize“ zur Emigration im AFD-Papier zeigen, so gibt es hierfür genügend Begriffe. Deportation wäre nur einer. Allgemeiner spricht man hier von Rück“führung“, „Ausweisung“. „Abschiebung“, „Umsiedlung“. Sie schließen eine Freiwilligkeit nicht aus, verlangen sie aber nicht. Der Begriff Remigration passt nicht auf das, was die AFD vorhat. Der Begriff ist eine Lüge.

Die AFD will eine Vertreibung

Für das, was die AFD möchte gibt es aber einen weit treffenderen Begriff. Sie möchte Ausländer und Minderheiten aus Deutschland „vertreiben.“ Was das bedeutet, wissen rechtsextreme Parteien sehr gut. Sie dominierten lange die „Vertriebenenorganisationen“. Sie könnten Ziff. 3 ihrer Charta vom 5. 8. 1950 der AFD entgegenhalten, weil auch ehemalige Einwanderer ein Recht auf Heimat, und zwar in ihrem Aufnahmeland haben. In der Charta heißt es

Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste töten.

Vertreibung ist das was die AFD wirklich will. Sie will eine Nation, die seit der französischen Revolution in Demokratien aus allen Menschen besteht, die auf einem bestimmten Territorium zusammenleben, in einerseits „ein Volk, ein Reich, einen Führer“ und „die anderen“ zerlegen. Dazu muss das Reich autoritär festgelegt werden. Eine Demokratie kann dies nicht. Daher ist Vertreibung immer mit Diktatur verbunden. Beispiele sind heute die Vertreibungen im Sudan, Myanmar oder Jemen.

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