Polizeikriege – Zur Tötung Soleymanis

Der iranische General Suleymani wird bei einem offiziellen Besuch im Irak durch eine ferngesteuerte Drohne umgebracht. Er hätte schon vor 10 Jahren „ausgeschaltet“ werden müssen, so Donald Trump. Auf die Liquidierungsliste, so das Pentagon, wurde er dann vor 10 Monaten gesetzt. Eine Notwendigkeit, um bevorstehende Anschläge zu verhindern, war vorgetäuscht und sei “nicht entscheidend”. Soleymani starb nicht allein. Mit ihm mussten der Iraker Muhandis, Chef der Schiitenmiliz Kataib Hisbollah, sowie vier namenlose Fahrer und Begleiter sterben. Eine weitere Tötung misslang im Norden des Irak. Sind dies noch Kriege oder schon Polizeiaktionen?

Die amerikanische Regierung tötet Verbrecher, um Verbrechen auszuschalten. Dead or alive hat dort Tradition. Für die Weltordnung ist es verheerend, wenn nicht alive“ gewinnt. Dann nämlich teilt der Sheriff die Polizeigewalt mit Richter und Verteidiger. Das Strafrecht schützt dabei auch den Täter. Es verlangt Ursache, Ziel und Schuld zu ermitteln. Das ist rechtsstaatlich und demokratisch. Gewinnt dagegen „dead“, so löst der Schusswaffengebrauch das Problem. Das Böse bleibt, seine Personifizierung stirbt. The death of the person keeps its evil alive. Das kann unvermeidlich sein, wo kein anderes Mittel bereitsteht. Es kann aber auch bewußt angesteuert werden, wenn ein Rächer der Enterbten als Gott der Gerechten erscheinen will. Dieses neue Konuzept hat vor allem der Drohnenkrieg ermöglicht.

Wilder Westen

In den Western hat die USA ihre Eroberung Amerikas unter die Herrschaft der Gewehre gestellt. In der Verfassung ist ese geschützt. Der Sheriff-Stern, den sich jeder anstecken darf, verdrängte die Waage der Justitia. Wer zuerst zieht hat recht. Die Folgen trafen Indianer und afrikanische Sklaven, Strauchdiebe und Piraten. Später waren nach der Dominotheorie ganze Völker betroffen, die vom Kommunismus befreit werden mussten. Es war ein Durchgangsstadium und immer noch weit rechtsstaatlicher als das, was in Deutschland im 20. Jahrhundert passierte. Während die USA in jedem Sheriff ein bisschen Richter und Gerechtigkeit verlangte, entwickelte der SS-Staat den Richter im Scharfrichter zum Vollstreckungsbeamten.

Wird der Sheriff zum Richter, so treffen seine Irrtümer, Todesstrafen, Morde, Machtmissbräuche unmittelbar die Gesellschaft, die ihn anstellte, das Böse auszurotten. Die Philippinen erfahren dies gerade. Es gibt einen Regelkreis des Schreckens, der letztlich wie in der französischen und russischen Revolution die Scharfrichter selber erfasst. Doch das Problem des better dead than alive bekommt eine neue Dimension, wenn es international eingesetzt wird. Der Dritte Weltkrieg als Krieg auf Raten verwandelt Soldaten in Bürger und Terroristen, die mit der Polizeigewalt statt mit militärischen Konzepten bekämpft werden müssen. Der Bürgerkrieg ist kein Krieg mehr.

Kriegsrecht und Polizeirecht

Übt man Polizeigewalt in einem anderen Land aus, ohne das Land zu beherrschen, so war dies bisher Krieg. Militär ersetzt die Polizei. Militär tötet nicht um auszurotten, sondern um zu siegen. Man will für sein Volk rauben oder sich gegen den Raub verteidigen, unterdrücken oder sich von Unterdrückung befreien. Wer international ausmerzt oder tötet um des Tötens bestimmter Menschen und Gruppen willen ist Rassist. Die Tötung ist dann Völkermord. Das Kriegsrecht verbietet es. Einfaches Polizei- und Strafrecht werden durch das kollektive Kriegsrecht der Völker ersetzt: Schutz der Zivilbevölkerung, Respekt vor den Gefangenen, verbotene Waffen, keine Tötung nach Unterwerfung. Die Nürnberger Prozesse haben dies sogar institutionell vorbereitet. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, den die US-Amerikaner boykottieren, hat inzwischen vorgelebt, wie segensreich das sein kann.

Polizeisoldaten

Anders die Polizeisoldaten. Mit diesem Titel wollten wir unsere Analyse der Hamburger Polizei im Dritten Reich herausbringen. Der Verlag missverstand und veröffentlichte es mit dem verhängnisvollen Irrtum als Parteisoldaten. Es scheint so, als ob unsere Analyse der Strukturen, aus denen aus Hamburger Bereitschaftspolizisten die drei SS-Bataillone im Generalgouvernement wurden, wieder lesenswert sind. Die Zeit der Kriege und des Militärs scheint vorüber. Die Kriege im Jemen, Irak, Syrien, Libyen, Kaschmir, Somalia, Tschad, Senegal, Kongo und Afghanistan finden nicht mehr zwischen Nationen, sondern zwischen Gruppen von Menschen statt. Man bekämpft sich im selben Land und nennt sich gegenseitig Terroristen. Wie im zweiten Weltkrieg beginnen die Verbrechen vor allem hinter der Front nach dem Sieg. Von der Bereitschaftspolizei zur SS, Waffen-SS und schließlich zum Militär handelten die Polizisten nach Polizeimaximen ohne Recht und Gerichte. Partisanenbekämpfung, Rassismus und Ausrottung ersetzten die Kriegsziele.  Man eroberte Personen und kein Land. Feindschaft wurde durch Feinde ersetzt.

In unserer Analyse gingen wir davon aus, dass die früh einsetzende Militarisierung der Polizei in Deutschland den Staatsterror beförderte. Man kann es aber auch anders herum sehen. Die Einbettung des Militärs in eine polizeiliche Strategie macht Militärs zu Weltpolizisten ohne Weltregierung. Feind ist nicht das gegnerische Militär, sondern der einzelne. Wird er umgebracht, so ist das Böse besiegt.

Die Todesstrafe wird von der Strafe zum politischen Mittel im Anti-Terrorkampf, der Tod selber im Krieg nur das unvermeidbare Mittel zum eigentlichen Ziel. Mit der US-amerikanischen Enthauptungsstrategie übernimmt der Krieg die präventive Verbrechensbekämpfung ohne deren rechtsstaatliche Kontrolle. Polizei und Militär verschmelzen. Die schon problematische Aufrüstung von kasernierter Polizei zu militärisch bewaffneten Polizeibataillonen und Bürgerkriegsarmeen nach wird ergänzt durch eine Verpolizeilichung der Armeen im Polizeikrieg nach außen.

Polizeikrieg

Polizeikriege zerstören die Regeln, mit denen Kriege immer mehr zurückgedrängt werden konnten. Diese Kriege enden nie, weil es keine Sieger und Besiegte mehr gibt. Der personalistische Ansatz überquert nicht nur in der Verfolgung, sondern auch in deren Abwehr Grenzen. Terror steckt an wie eine Seuche und vererbt sich. Kriegsziele, die erreichbar den Krieg beenden könnten, gibt es nicht mehr. Man kennt nur das Böse und gibt vor, bei dessen Ausrottung werde das Gute von selber gewinnen. Gut sind dabei wie in zahllosen Kriminalfilmen zelebriert, die Polizisten. Zudem sind sind die Mittel untauglich. Menschenrechte, Demokratie oder Rechtsstaat hängen mehr vom Wohlstand als von Moral und gutem oder bösem Willen ab.

Polizeikriege zerstören schließlich die Strukturen, mit denen Kriege eingedämmt werden konnten.

  • Steckbriefe, schwarze Listen, Feindbilder ersetzen die Kriegsziele.
  • An die Stelle der Schwächung des Gegners tritt seine Ausrottung
  • Der Kampf Mensch gegen Mensch wird durch Bomben., Raketen- und Drohnenkriege abgelöst.
  • Einnehmen des gegnerischen Territoriums wird durch dessen Zerstörung verdrängt
  • Angst ersetzt Einsicht, Terror die Unterwerfung.

Drogenbarone, Mafiabosse, Religionsfanatiker verschaffen sich auf diese Weise Macht.

Chaos als Folge

Die Tötung Suleymanis wie vieler Befehlshaber vor ihm seit Patrice Lumumba im Kongo wird keine Ausnahme bleiben. Eine Militärdoktrin, die die Soldaten durch Drohnen ersetzt, sich Achtung verschafft, indem sie unendlich zerstören kann, muss auf dem Enthauptungskonzept beharren. Die Personalisierung des Bösen in den Führern macht das Böse in der Gefolgschaft zur persönlichen Eigenschaft von Menschen statt ihrer Systeme.

Doch die Enthauptung führt zum Chaos. Die vom US-Geheimdienst aufgespürten und getöteten arabischen Führer waren nicht das Böse, sondern allenfalls dessen Ausdruck. Gaddafi und Saddam waren Präsidenten ihres Landes, dessen Ordnung sie repräsentierten. Sie übten die Macht nicht aus, weil sie die körperlich Stärksten waren, sondern weil sie von den Machthabern ihres Landes systemkonform damit beliehen wurden. Ohne sie ist die Ordnung und der Frieden dort nicht leichter geworden. Die Kriege wurden in erstaunlicher Übereinstimmung in der Presse mit der Verteufelung missliebiger politischer Führer eingeleitet. Blutrünstige Diktatoren und Schlächter sind bzw. waren dann Assad, Chomeini, Gaddafi und Saddam. Ist das noch Information oder Vereinnahmung? Welcher Leser oder Fernsehzuschauer kennt überhaupt die Geschichte dieser Länder von den kolonial gebildeten Königreichen zu den Militäraufständen und der Entkolonialisierung?

Dass sich fast alle westlichen StaatslenkerInnen dem Urteil der US-amerikanischen Opposition anschlossen, es sei um Suleymani nicht Schade, er habe den Tod verdient, die Aktion sei für diese Person zu recht erfolgt zeigt die ideologische Bereitschaft gerade auch der Presse, die Kritik an den Mechanismen des Polizeikrieges und seiner Enthauptungsstrategien dem Feindbild unterzuordnen. Das soll Im Namen des Rechtsstaates erfolgen. Doch der Rechtsstaat verlangt die Fakten (und nicht deren Bewertung) vom Ankläger und das Recht vom Richter. (lat. da mihi factum, dabo tibi ius) Auch der schlimmste Mörder hat Anspruch auf einen Verteidiger. Feindbilder gehören statt in die Gesellschaft in die Gemeinschaft.

Die USA sucht im Weltpolizisten ihre Rettung. Sie erklärt sich für great, wo es kein anderer tut. Ihre Notstände im Konsum, das Leben von Lizenzeinnahmen und Dollarexport, Umweltzerstörung und mangelnder kultureller Identifikation schafft Blöcke, die nur noch äußere Bedrohung oder Anerkennung und Zuwendung zusammenbringen kann. Jede Nation ist großartig, wenn ihre Schwäche sie zwingt, sich auf ihre Kultur zu besinnen.

Deshalb darf man die USA mit ihren Problemen nicht allein lassen. Sie hat Europa vom imperialen ersten und vom faschistischen zweiten Weltkrieg erlöst. Sie hat mit dem Kapitalismus die individuelle Freiheit verknüpft und die Opfer der Feudalsysteme aufgenommen. Es ist an der Zeit, diesen Vereinigten Staaten von Nordamerika etwas zurückzugeben und dort die Türen zu öffnen, wo sie liebenswert sind aber auch sich ihnen mutig in den Weg zu stellen, wo sie Macht mit Größe verwechselt und vor das Recht stellt.

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