Wohnungsnot und Mietwucher

Die Mieten explodieren in den Großstädten, wo der Wohnungsbedarf am größten ist. Das führt anders als im Neo-Liberalismus gepredigt nicht zu mehr Wohnungsbau, sondern zur Konzentration im Wohnungssektor. Die Wohnung bleibt dieselbe. Sie kostet jetzt nur das Fünffache. Man geht dagegen vor, indem man am Anreizsystem bastelt und die Vermittler ins Vesier nimmt. Doch der Wertzuwachs bleibt letztlich bei den Kapitalbesitzern. Er ist groß genug, um die Knappheit der Wohnungen als Segen der Besitzenden zu feiern.  Früher bekämpfte man das unter dem Begriff Wucher.Mietwucher ist die dauerhafte und maßlose Ausbeutung der Schwäche eines Mieters. Mit dem Gewinnprinzip wurde der Wucher historisch enttabuisiert und zum Wettbewerbsideal erhoben. Gleichwohl hatte er immer Grenzen (§138 BGB), weil auch im kapitalistischen System unumkehrbare Armut das System belastet und zudem unverdiente Entgelte das Leistungsprinzip untergraben. Doch juristisches wie moralisches Unwerturteil haben sich verlagert. Nicht der Wucherer, sondern der Bewucherte ist schuld. Er ist zu dumm, zu faul, zu ungebildet, zu ungeschickt, zu sorglos, hat er doch die Wucherverträge „freiwillig“ abgeschlossen. Außerdem muss er sich die Kosten des Armutsrisikos aller Armen zurechnen lassen. Wucher verliert seine Bösartigkeit und wird System.

Das aber entgeht dem Verbot. Zementiert wird diese Ideologie der Freiwilligkeit mit der modernen Anti-Wuchergesetzgebung. Sie gewährt unbrauchbarer Überlegungsfristen, Widerrufsrechte, Kündigungschancen, Klagen zur Miethöhe, Provisionsverbote oder Datenschutz, den der vom Vermieter genötigte Mietaspirant durch Selbstauskunft aushebeln darf. Wohngeld und Mietübernahme in der Sozialhilfe, Steuerbefreiung und Investitionshilfen schützen den Wucherer vor der Insolvenz der Mieter und damit vor der nächsten Subprime-Krise. Unbegrenzter und billiger Kredit produziert scheinsolvente Käufer oder Mieter. Zweckentfremdung, Leerstand, Zersiedelung, Ghettoisierung, Dritt- und Viertwohnungen gegen Obdachlosigkeit sind die Folgen.

Dabei gehört Grund und Boden und der dazugehörige Wohnraum der Nation insgesamt. Sie vertraut ihn den privaten Grundbesitzern an, bestimmt aber: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (Art. 14 Abs. 2 GG) Deshalb gibt es Wucher- und Diskriminierungsverbote und eine Vielzahl wirksamer Rechte im Mieterschutzgesetz von 1923, das in Hamburg und West-Berlin erst nach 1970 aufgehoben wurde, nachdem es als dirigistische Zwangswirtschaft verunglimpft war.

Heute muss der Staat die Eigentumsformen bestimmen, in denen die Pflichten der Wohnraumverwalter kontrollierbarer und wahrscheinlicher wahrgenommen werden. Historisch war dies nicht nur staatliches Wohneigentum. Gesellschaftliche Verbände wurden ebenso beliehen wie die Mieter in der Genossenschaft oder Kapitalbesitzer, die sich den Regeln im sozialen Wohnungsbau unterordnen wollten. Manche Länder erproben auch Neues. Warum beginnt man nicht Mieter am Kapital und bei der Mitbestimmung zu beteiligen. Eine Mieter e.G. & Co., KG könnte ein Modell sein.

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