Polizeisoldaten und Rechtsradikalismus

Was sind die Ursachen für den Rechtsextremismus in Polizei und Militär? Die neue Heimatschutzarmee des Verteidigungsministeriums nach dem Vorbild der 240.000 Personen starken homeland security, die aktuell auf Präsidentenbefehl gegen den Willen der Bürgermeister Demonstrationen in Städten der USA bekämpft  (https://www.dhs.gov/), verheißt nichts Gutes.

Militärische Polizei nach 1945

Beim Wehrdienst 1966 in der Bundespolizei alias Bundesgrenzschutz war die NPD die einzige Partei, die eine politische Werbeveranstaltung in meiner Kaserne abhalten durfte. Unser sympathischer Zugführer war stolz auf seine Zugehörigkeit und sah bei den Rechtsradikalen das Programm, das dem Auftrag des BGS entsprach.  Vom einem Oberstleutnant wurde gerühmt, dass er seine Ausbildung noch bei der Waffen-SS bekommen habe. Unser Feind war der Kommunismus repräsentiert durch die Deutschen in der SBZ. Das durfte, wie ich leidvoll erfuhr, bei Strafandrohung nicht infrage gestellt werden.

Man war auch auf den Kombattantenstatus stolz. Maschinengewehr, Sturmgewehr G3, die Piretta MP, Panzerfaust, Saladin-Panzer etc. waren die wenig polizeiadäquaten Tötungsinstrumente. 1951 gegründet bildete der BGS zusammen mit der kasernierten Bereitschaftspolizei der Länder die erste (para)militärische Truppe nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland. Vorbild waren die kasernierten Polizisten der Weimarer Republik, die gegen die Arbeiterschaft eingesetzt wurden. Der BGS wurde damit auch vor Gründung der Bundeswehr 1956 zum Zufluchtsort der belasteten Uniformierten des Dritten Reiches. In Hannover waren die Kasernen von Bereitschaftspolizei des Landes und BGS des Bundes einen Steinwurf entfernt. Eine gemeinsame Spitze garantierte die Armeequalität. In der BGS-Kaserne in Goslar hingen Porträts von Ludendorff und Hindenburg.

War der Rechtsradikalismus der Bundespolizei nicht bekannt? 1968 führten die Notstandsgesetze zur enharmonischen Verwechselung. Mit den Studentenunruhen, für die wir im BGH ab 1967 Greiftrupps übten, wurde der BGS zur Bürgerkriegsarmee. Militärische Ausrüstung und kriegerischer Ausbildung blieben bis heute. Der herrschende Antikommunismus eignete sich für eine umfassende Feindbestimmung. GSG 9 und SEKs repräsentierten die Militarisierung der Polizei, die KSK und die Erlaubnis zum Binneneinsatz der Armee in Art. 87a Abs.4 GG gestattete die Verpolizeilichung des Militärs. Das Ergebnis wurde zum Bewusstsein einer übergreifenden Bürgerkriegsarmee, die Feindbild, Kadavergehorsam, Kasernierung und Gleichschritt aus der Armee auf die Einsatzgebiete im Inneren übernahm. Dort hätten eigentlich Individualschutz, Einzeldienst, Diskussion statt Drill und die Bewältigung ziviler Krisen durch Beamte die historische Erfahrung bei der Überwindung von Polizei- und Wohlfahrtsstaat sein müssen. Stattdessen bekamen wir Im Polizeirecht das Recht zum finalen Todesschuss, die kasernierte Ausbildung für alle. Zentrale Steuerung und Amtshilfe rundeten das Bild einer Armee ab, die sie nicht sein sollte. Jetzt bekommt die Bundeswehr ohne Verfassungsänderung eine Heimatschutzarmee mit wenig Ausbildung und viel Pathos. Die Wurzeln dieser von rechts bis links akzeptierten Mutation des Wehrgedankens haben wir in dem Blog „Polizeikriege“ über die zum Weltpolizisten aufgestiegene US-Armee beschrieben. Ist Polizei und Militär per se eine Lernplattform für Rechtsradikalismus?

Rechtsradikalismus als Polizeiberuf?

Schauen wir uns den Anachronismus von Armee und Polizei im Recht an. Während den Bürgern die Verletzung von „Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum“ (§823 BGB) verboten ist, kann eine materiell oder formell zur Polizei erklärte Behörde „auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und durch Waffen“ einwirken. (§2 (1) hmb UZWG) Die Bürger sollen Recht und demokratische Verfahren nutzen. Auch „die Streitkräfte zur Verteidigung“ (Art. 98a GG) wendet Gewalt an. Das ist ím Recht so selbstverständlich, dass es nicht einmal erwähnt wird. „Gehorsam“ (§11 SoldatG) legitimiert die Gewalt, eine Entschuldigung, auf die sich lange Zeit die SS-Schergen der Polizei, die zudem mit der Waffen-SS die Grenzen planiert hatten, beriefen.  Umgekehrt übertrug die Reichswehr ihren Vernichtungsauftrag auf die Polizeiliche Verwaltung der besetzten Gebiete. Heute stehen der Armee Polizeiaufgaben nur zum Selbstschutz zu. (§§1 ff.  UZWGBU) Was soll dabei nun „Heimatschutz“ bedeuten? Der Begriff war bisher eher durch eine Sylter Bausatzung (der „friesische Heimatschutzstil“) bekannt. Die demokratiefeindlichen Heimatkonzepte der NS-Zeit (zur Idee Heidegger 1933) blieben gleichwohl in den Köpfen. Mit ihnen hatte man den Soldaten erklärt, warum sie 1000de von Kilometern fremde Heimat zerstörten und in ihre eigene nicht zurückdurften. Das Heimat daneben auch eine Ortsbezeichnung ist, die nichts Mystisches an sich hat aber sich dagegen auch nicht wehren kann, wird in der scheinheiligen Diskussion über die rechtsradikale Renaissance des Begriffs übergangen.

Wie soll in diesem Gewaltumfeld ein demokratisch gesinnter Polizist oder Soldat sich zurechtfinden. Reicht es, dass sorgfältig gewählt, geschult und gestraft wird, um der täglichen Versuchung zu widerstehen, sich als Teil des Staates mit dem Recht des Stärkeren zu fühlen?

Polizei und Militär: zwei unterschiedliche Konzepte

Der staatliche Gewaltapparat will das Gegenteil. Er dient der „Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherung und Ordnung“ (§1 Abs.1 1 S.1 ASOG Bln) sowie der Verteidigung gegen völkerrechtswidrige Angriffe.“ Es geht In beiden Fällen um den Schutz von Rechtsstaat und Demokratie gegen Gewalt von innen (Polizei) wie von außen (Militär). Dass der Gebrauch von Gewalt oft „erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden“ gilt auch im Notwehrrecht der Bürger untereinander (§227 BGB; 32 StGB;). Die Verfassung verleiht ihnen sogar ein Widerstandsrecht gegen die Staatsgewalt. (Art. 20 Abs.4 GG)

Polizisten und Soldaten haben gerade den Auftrag, das Gewaltverbote und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Dass sie dafür Gewalt einsetzen müssen, liegt nicht am Auftrag, sondern an der Art des Problems. Deshalb gehört es zur Grundlage beider Institutionen, dass sie sich dauernd über die Gewalt der anderen legitimieren. (Verhältnismäßigkeit) Nicht ihr Auftrag drängt sie ins rechtsradikale Lager. Es ist die Art, wie ihre Tätigkeit organisiert ist.

Beim Militär ersetzen Gehorsam und Befehl die eigene Verantwortung. Es wird ein Feind bekämpft, den die Obrigkeit persönlich und örtlich festlegen. Die Demokratie wird vor dem Militär und seinen diktatorischen Gemeinschaftsprinzipien dadurch geschützt, dass es nicht im Inneren tätig werden darf. Im Völkerrecht baut sich allerdings ein entsprechendes Kontrollsystem auf, so dass auch international Demokratie und Rechtlichkeit entsteht. Polizei und Militär sind somit zwei entgegengesetzte Pole.

Das Idealbild des Polizisten ist der Polizeieinzeldienst, der darin gelernt hat und intellektuell in der Lage ist, Sicherheit und Ordnung zu definieren. Er kennt keine Feinde, sondern nur Störer, auf deren Schuld es nicht ankommt, wenn es darum geht, die Störung zu beheben. Die Tötung ist eines Störers ist nur legitim, wo es um den Schutz des Lebens anderer geht. Grundsätzlich ist das Leben des Störers genauso viel Wert wie das seines Opfers. Gewalt ist im Polizeidienst immer Gegengewalt. Die Arbeit ist in der Polizeiwache in kleinen Gruppen organisiert. Verschiedene Meinungen sind möglich und werden diskutiert. Der Vorgesetzte ist durch das Funktionieren des Ganzen definiert. Er lebt mit seiner Familie in der Umgebung der Bürger und nimmt daher aktiv am gesellschaftlichen Leben Teil. Traditionell hieß er in Deutschland Schupo, weil er den einzelnen schützte.

Das Gegenbild ist der Soldat. Im Extremfall tötet er Menschen auf Befehl, die ihm als Feindbild aufgegeben sind. Er lebt kaserniert fernab von der Gesellschaft.

Sein Handeln ist damit nur durch die äußeren Grenzen beschränkt. Der Feind muss selber Soldat sein

Bereitschaftspolizei: Keimzelle des Rechtsradikalismus

In unserer Studie zur Hamburger Polizei im Dritten Reich, bei der wir vor 1933 in einem SPD Land ansetzten, waren wir auf die Unterschiede in der Polizei bei der Machtübernahme gestoßen. Während im Einzeldienst die herrschende sozialdemokratische Stimmung sich durchaus wiederfinden ließ, waren die Polizeiführer schon vor 1933 in die NSDAP eingetreten. Die Bereitschaftspolizei war so von ihrer Spitze her schon in der Weimarer Zeit rechtsradikal. Dass SA und bayerische Bereitschaftspolizei schon 1933 fusionierten konnte daher damals nicht verwundern. Später wurde die SS kollektiv zur Polizei erklärt, weil man die Bürgerkriegsarmee brauchte. 1939 wurde der Unterschied zwischen Polizei und Militär in der Waffen-SS aufgehoben. So konnte die Wehrmacht sich zur Bürgerkriegsarmee in den besetzten Gebieten entwickeln. Die Waffen-SS konnte ihre militärische Ausrichtung bei der Vernichtung der zu Feinden erklärten Verfolgten nutzen. Dass drei Hamburger Polizeibataillone umgetauft in SS-Bataillone an der Massenvernichtung im Generalgouvernement Minsk eingesetzt werden konnten war dann kein solcher Bruch des Selbstverständnisses, den man in der Polizei erwartet hätte.

Lehren aus der Nazi-Zeit – Trennung von Polizei und Militär

Wir haben dabei mit dem Titel unserer Studie „Polizeisoldaten“ (der leider vom Verlag als „Parteisolldaten“ verballhornt wurde)  die wichtige Lehre empfohlen, die historischen Grenzlinie der Demokratie für die beiden Gewaltapparate streng einzuhalten:

  • Der Polizist ist auf der Idee des Einzelhandeln aufgebaut. ER verteidigt gerade die Rechte der schwächeren Bürger, auch derjenigen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er darf Gewalt im Inneren anwenden muss sie aber in jedem Fall legitimieren. Hierarchie und Befehl sind die Ausnahme, die sich aus der Ausnahmesituation herleitet. Polizei darf nur im Inland eingesetzt werden. Als hierarchisch organisierte Gruppe muss sie sich aus der Tatsache legitimieren, dass auch die Störer als Gruppe handeln. Wer deshalb in Polizeihundertschaften und –gruppen dienen muss, sollte regelmäßig die Erfahrung des Einzeldienstes machen. Polizisten sind dienstrechtlich am Beamtenstatus mit seinen Arbeitnehmerähnlichen Rechten orientiert. Sie sollten das politische Spektrum der Gesellschaft repräsentieren, kein Feindbild pflegen und nicht dem Staat, sondern der Demokratie verpflichtet sein.
  • Der Soldat vertritt das Gegenteil. Er braucht ein Feindbild, ist als Gruppe hierarchisch dem Befehl der Führer unterworfen und zum Vernichten ausgebildet. Das disqualifiziert ihn für jeglichen Einsatz zur Verkörperung der Staatsgewalt im Inneren. Während die Polizei mit der Vergesellschaftung der menschlichen Beziehungen an Aufgaben zunimmt ist es Aufgabe der Politik, das Militär schrittweise überflüssig zu machen. Soweit es in polizeiähnliche Aufgaben in anderen Ländern eingesetzt wird, wie insbesondere als UN-Schutztruppe sollte es sich auch zu dieser Funktion bekennen.
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