Unter dem Motto Querdenken mit der Stuttgarte Vorwahl 711 versammelten sich in Berlin 1000de von Menschen für das Recht, arglose Bürger mit CoVIT19 anstecken zu dürfen. Statt es wie bei HIV-Ansteckern als schwere Körperverletzung i.S. des §224 I Nr.5 StGB (Bundesgerichtshofs 4.11.1988/ 1 Str 262/88) zu kriminalisieren, werden dafür die individuellen Freiheitsrechte des Grundgesetzes herangezogen.
Gehört mein Block dazu. Er steht seit Beginn unter dem Motto „Querdenken lernen“. Erklärt wird dies mit einem Seitenwechsel: „Wir wollen die Welt von außen betrachten, sie quer denken und die Vorteile gedanklicher Umkehrungen aufzeigen.“
Querdenken ist kein Leerdenken
Verschwörungsmissionare, Impfgegner, „Reichsbürger“, Antisemiten, Fremdenfeinde und ihre Schäfchen, die aktuelle Ohnmachtsgefühle nicht der Pandemie, sondern Politik und Wissenschaft anlasten, fehlt etwas Wichtiges zu dem von mir geforderten Querdenken: das Denken. Statt Abgeordnete zu wählen stürmen sie den Bundestag, statt Wissenschaftlern zuzuhören geben sie ihnen Ergebnisse vor. Sie sind daher keine Querdenker, sondern Quergläubige. Gegen Dummheit gäbe es Bildung, Beruf und Belohnung. Gegen einen Glauben im eigenen Interesse hilft nur die politische Auseinandersetzung.
Die Quergläubigen gehören zu einer historisch überholten Form von Gemeinschaft durch Feindschaft. Nicht die Freiheit der anderen, sondern der eigene Vorteil erhält sie. Feindbilder sprießen dazu aktuell wie Pilze aus der Erde: Achse des Bösen, Migranten, Kommunisten, Ausländer, Behinderte, Frauen. Ein schleichender Rassismus will den Verfall ehemaliger Kolonialverhältnisse abwehren. Das Bollwerk gegen die Refeudalisierung der bürgerlichen Gesellschaft in Europa hat sich dabei zum Vorreiter bezahlter Dummheit gemacht. Dem Querfühlen muss daher das Denken entgegengesetzt werden.
Aber Vorsicht. Nur im deutschen Märchen der Gebrüder Grimm ist das Gegenteil zur Dummheit des Wolfes die Schläue des Fuchses. La Fontaine lässt den Fuchs an seiner Schläue verenden. Er handelte nämlich nur schlau und nicht klug.
Querdenken ist gelebte Demokratie (Nachtrag)
Querdenker teilen mit den Faschisten die Grundüberzeugung, dass richtig ist, was ihnen nützt. Der Nutzen ist oft absurd und immateriell. Es ist ein Gefühl der vermeintlich Zu-Kurz-Gekommenen, eine Befreiung von einem Aggressionsstau oder Ausdruck des Umgangs mit der eigenen Angst. Bei den allweihnachtlichen Erinnerungen meines Vaters an die erlebte Kameradschaft im Kessel von Stalingrad in den 1950ziger Jahren schien es oft so, als ob sich alles doch gelohnt hätte: „eine herrliche Kameradschaft, wie ihr sie heute nicht kennen könnt.“
Querdenker sind Rechtgläubige. Denken ist Verkleidung. Sie glauben das Denken doppelt: den Unsinn und dass sie alles schon wissen. Für dieses Gefühl kann man andere in Krieg, Verfolgung oder Pandemie schicken. Der Virus bringt wie die Sonne in Chamisso’s Ballade den Mordwunsch an den Tag. Gemeinschaft durch Feindschaft. Wenn ich physisch, psychisch und ökonomisch überlebt habe, hat sich der Irrsinn gelohnt. Sie mögen mich hassen. Doch die Konkurrenz ohne Chance, der drohende soziale Absturz, Tod und Einsamkeit – alles wird weg sein. Es ist die Umkehrung der 14Jährigen, die Eltern und Geschwister weinend an ihrem Grab sehen wollen.
Echtes Querdenken tut not. Es ist der demokratische Ausbruch aus dem Längsdenken, eine horizontale Beziehung zu den Gedanken Gleicher (Diskussion) in einer Welt, die die vertikale Hierarchie der Gedanken in verbindlichen Glaubenssätzen zementiert hat. (Befehl) Früher befahl Gott, heute die eigene Freiheit und ihre individualistische Fortentwicklung zur Freiheitlichkeit. Das Bürgertum hat stattdessen die Gleichheit versprochen. In 1. Korinther 13 hätte es geheißen: „Nun aber bleibt Gleichheit, Freiheit, Sicherheit aber die Gleichheit ist die Größte unter ihnen. “