Spiekeroog, der Beluga Waal und die Pressefreiheit

Erwiderung auf das Gedicht zu den „Sieben Schwestern“ von Julius Delius in der Spieker’s Corner am Strandweg vom 8.1.2008
von Udo Reifner, Hamburg

Neunzehn Schwestern in der Nordsee
Frieslands stolz und unser Gut
Doch bei einer nur herrscht Heimweh.
Wehe, wenn ihr der was tut.

Ruhig im Schatten ihrer Bäume,
liegt das Eiland Spiekeroog,
Tausendfache Kindheitsträume
Blühten auf in seinem Sog.

Kinder in den Queller Duenen,
Schlossmacher und Bielefeld,
Sturmeck, Distel, Herbergsbienen,
lebten hier für wenig Geld.

Lernten Sterne und Gezeiten,
Schlauchboot rudern, spielen pur,
Burgenbau’n und Ponyreiten,
Schwimmen, Gott und die Natur.

Dazu vielköpfig Familien,
kinderfreundlich Haus und Preis,
bereuten nie das Kinderkriegen,
Selten ist es so, Gott weiß.

Künstler fühlten sich hier ein,
malten leis’ und spielten viel,
dankbar in Natur zu wohnen,
prägten sie den eignen Stil.

Spiekerooger kämpften wach,
gegen Hochhausbau am Hafen,
retten Tante Emmas Dach,
trotzten finanziellen Strafen.

Touristensilos nur als Mahner.
Spiekeroog baut ein Programm:
„Lebt mit uns, dem Insulaner“,
wer’s nicht will, der kommt nicht dran.

Doch die unberührte Schöne,
wird mit Flitter nun behängt,
Marketing mit viel Gedröhne,
die „Kultur“ ward ihr geschenkt.

Nach dem Brauch der Investoren
Werden Künstler vorgeschickt,
Das große Geld stellt die Juroren,
bis die Menschen eingeknickt.

Hat man Euros nur zu bieten,
reichen schon Poeten aus,
Geld macht schwach – und nicht nur Nieten
strömen in ein „Künstlerhaus.“

Hinter grellen Malerfarben
lugt das Sylt Ostfrieslands vor.
Als die Kinderheime starben,
macht Investment auf das Tor.

Bankiers und Belugawaale,
verstehen viel von Geld und Macht,
Doch die Spiekerooger Schale
hat weit mehr, was Sinn ihr schafft.

Umweltschutz, sozial Gewissen,
Gastwirt Frerichs, Pfarrer Arf,
Bauers Grünschutz, Algenkissen,
Touristenstrom sanft nach Bedarf.

Große Vielfalt ihrer Häuser
Trotzt dem Frieseneinheitsbau,
für sehr gut betuchte Schleuser,
kompensiert jetzt „Kunst am Bau“.

Neues Spiekeroog, mir grauset
Malschule mit Sylter Flair,
Hund statt Kind, der Geldwind sauset,
Spiekeroog trés chique, trés cher.

Explosion der Grundstückpreise,
Geld geborgt aus fremder Kasse
Kunst statt Mensch zieht neue Kreise
zum Disneypark der Oberklasse.

Doch es gibt auch eine Chance
Wisst, der Investoren Gier
Hält nicht lange die Balance
Siegt in Frankfurt nicht der Stier.

Sieben Hundert Jahr Geschichte,
so lang haben sie nicht Zeit,
geht’s nicht schnell für diese Wichte,
sind sie`s häufig ganz schnell leid.

Klebt das Grundstück an die Arbeit,
Wohnen, leben und Konsum,
wer hier lebt soll sich besitzen,
wer nichts schafft, soll andres tun.

Borgt auch ihr der Banken Brot
Bietet mit wo’s nicht tut weh.
Holt den Kurgast mit ins Boot,
gründet Spiekeroog KG.

Denn nur wenn ihr janusköpfig
politisch und auch wirtschaftsstark,
macht ihr gar nicht sauertöpfig
Eure Erben erst autark. (6.1.2008)

Konkurs der Pressefreiheit – Nur das Manager-Magazin berichtete

Spiekeroog wurde Schritt für Schritt aufgekauft. Der Investor, der aus der Kinderheiminsel ein eigenes Sylt machen wollte, kam ins Gefängnis. Seine staatlichen wie kirchlichen Steigbügelhalter in Hannover und Bremen blieben unbehelligt. Sein Beluga-Shipping-Imperium mit den in der Tagesschau segelnden Tankern war auf Betrug aufgebaut. Das hätte man am Beispiel Spiekeroogs erkennen können. Mein Gegen-Gedicht aus dem Winterurlaub 2008 wollte der Inselbote nicht haben

Während des Freigangs! Ex-Reeder arbeitete unter falschem Namen als Berater Warum wird Niels Stolberg dafür nicht bestraft? [Bild v. 08.08.2021]

Dreister geht’s kaum: Obwohl er im Knast seine Strafe absitzt, hat Ex-Reeder Niels Stolberg (60, „Beluga“) wieder Mist gebaut. Doch bestraft wird er dafür nicht. Mit erhobenem Zeigefinger bekam er nur eine Verwarnung! Stolberg war wegen Untreue, Bilanzfälschung und Kreditbetrugs zu dreieinhalb Jahren Knast verurteilt worden und sitzt seit Juli 2020 in der JVA. Doch seinen Freigang tagsüber für die Berufstätigkeit nutzte er schamlos aus: Stolberg arbeitete unter dem falschen Namen „Niels Berg“ als Berater von zwei Firmen, die über die norwegische Regierung an Aufträge kommen wollen.

Ex-Beluga-Chef Stolberg hat seine Haftstrafe angetreten [Welt.de v. 06.07.2020]

Mit fingierten Rechnungen und Scheinverträgen für mehr als ein Dutzend Schiffsneubauten hatte er Banken getäuscht und sie zu Kreditvergaben in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe bewegt. (Ex-Beluga-Chef Stolberg hat seine Haftstrafe angetreten.

Beluga-Gründer Stolberg Absturz eines Reederei-Stars [WiWo v. 11. März 2011]

Die Inselbewohner von Spiekeroog waren die ersten, die gegen Niels Stolberg aufbegehrten. Ein bisschen zumindest. Stolberg, der 1995 die Schwergutreederei Beluga Shipping gründete, hatte auf Spiekeroog sein privates Feriendomizil gelegt. Hier zog er sich mit seiner Familie zurück nach Tagen der Arbeit. Er baute ein Ferienhaus. Es gefiel ihm gut hier. So gut, dass er wenig später ein Hotel eröffnete, zwei Restaurants kaufte und ein Künstlerhaus entwarf, das Stipendiaten eine Herberge gab. Die Insulaner mochten dem Treiben nicht mehr länger zusehen, befürchteten, Stolberg wolle aus der 800-Seelen-Insel ein neues Sylt machen. Nach zahlreichen Diskussionen stellte Stolberg seine Bautätigkeiten ein. Spiekeroog ist einer der wenigen Fälle, wo Stolberg aneckte.

In Thailand unterstützte er ein Waisenhaus, an norddeutschen Hochschulen finanzierte er Lehrstühle und in Bremen unterstützte er Museen. Das Personenlexikon Munzinger klassifiziert ihn als „Philantropen“.

Zugleich berichten die Spiekerooger von der verletzlichen Seite des Unternehmers. Einmal ließ er seine Frau bei Reporter Brings anrufen, weil er sich gekränkt fühlte von einem Bericht im “Inselboten”. Ein anderes Mal traf es wieder Fiegenheim. Als 2007 das Künstlerhaus feierlich eröffnet wurde, sollte er eigentlich eine Rede halten. Er hatte sich viele Gedanken gemacht, über ein Zitat Stolbergs. Er habe sich in Spiekeroog verliebt, hatte der gesagt. Der Vortrag war längst fertig. Am Tag vor der Einweihung lud der Unternehmer den Bürgermeister dann aber aus – aus Angst, der könnte öffentlich etwas Kritisches über ihn sagen. “Dabei hatte ich das gar nicht geplant”, sagt Fiegenheim.

Der Ehrgeizige: Niels Stolberg [WiWo v. 31. März 2008]

Der Ehrgeiz des Niels Stolberg hat aber auch soziale, kulturelle und karitative Dimensionen. Er hat – zunächst gegen Widerstände – auf seiner geliebten Nordseeinsel Spiekeroog Public-Private-Partnerships mit der Kirche angestoßen, und er hat dort das Künstlerhaus Spiekeroog bauen lassen, in dem Stipendiaten arbeiten und Gäste Kreativität entfalten.

Reeder Stolberg Der unwillkommene Millionär [Manager Magazin 13.7.2006]

Zugleich hat er aber eine “Spaltung der Inselgesellschaft” verursacht, die es vorher nie gegeben hat, sagt der Journalist Hartmut Brings. Er bringt den “Inselboten” heraus, eine Zeitung, die seit 1987 auf Spiekeroog erscheint. Zuweilen habe er das Gefühl, dass manche Idee “etwas aus der Hüfte geschossen kam”, sagt Brings.

Aber, kommt dann immer als Gegenargument, musste der Geschäftsmann Stolberg unbedingt aus der finanziell klammen Jugendherberge ein schickes Apartmenthaus machen? Musste er unbedingt das Haus Göttingen kaufen, ein Heim der evangelisch-reformierten Kirche in Göttingen, die sich den Betrieb nicht mehr leisten konnte? Wie viele preiswerte Unterkünfte sollen denn noch wegfallen, schimpfen viele Spiekerooger. “Es stellt sich natürlich die Frage: Wollen wir tatsächlich Kapitalismus in seiner reinen Form?”, sagt der evangelische Geistliche auf der Insel, Joachim Breithaupt. Der Hotelier Ludwig Kröger sieht das ähnlich: “Wir wollen doch die soziale Marktwirtschaft.”

Als auch noch ein Brief öffentlich wurde, in dem sich 22 von 30 Heimmitarbeitern gegen Stolberg aussprachen, wurde Fiegenheim nach 23 Jahren im Amt von der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland entlassen. Begründung: Er sei ihr gegenüber, die eine Zusammenarbeit mit Stolberg wollte, illoyal.

Der Nachbarschaftskrieg wird auch über zwei Zeitungen ausgetragen. Der “Spiekerooger Inselbote”, ein buntes Blättchen, das der frühere “Münchner Merkur”-Journalist Hartmut Brings macht. Sein Blatt gilt als Stolberg-feindlich, Stolbergs Freunde behaupten über Brings, er sehe aus wie “der kleine Bruder von Helmut Markwort” und schreibe “nur dummes Zeug”. Gern verweisen sie darauf, dass Brings sein Grundstück von Georg Germis, dem Stolberg-Kontrahenten, gepachtet habe. Da sei ja klar, für wen der schreibe. Brings sagt, seine Berichterstattung sei ausgewogen, schließlich müsse er von der Zeitung leben.

Seit einem halben Jahr betreibt Ulla Schmitz eine zweite Zeitung – die “Spiekerooger Zeitung”, ein Blatt mit langen Artikeln pro Fortschritt und pro Entwicklung. Die Stolberg-Kritiker erinnern genüsslich daran, dass Ulla Schmitz ja mal Ulla Ackermann hieß und mit ihrer teilweise erfundenen Autobiografie “Mitten in Afrika” vor drei Jahren für einen Skandal gesorgt hat. Manche munkeln, Stolberg würde ihr Blatt finanzieren. “Unsinn”, sagen Stolberg und Schmitz. Stolbergs Freunde veröffentlichen in der Zeitung regelmäßig offene Briefe und Gastkommentare. “Die könnten ja auch mal direkt mit uns sprechen”, sagt Kurverwaltungschef Doellinger.

 

 

 

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