Vier Millionen protestierten auf der Straße gegen Rechts. Wird es gegen Krieg, Diktatur, Ausländerfeindlichkeit und Nazi-Nostalgie nützen? Kaum. Hat, so bestimmt es das Hebelgesetz, eine Wippe auf der rechten Seite das Übergewicht, so muss für den Ausgleich das Gegengewicht möglichst weit links platziert sein. Es hilft weder, sich auf das rechte Ende zu konzentrieren noch von der Mitte aus vom optimalen Gleichgewicht zu träumen. Gegen Rechts wirkt letztlich nur die Stärkung der Linken. Wir gehen zurzeit den umgekehrten Weg.
Die Parolen
Angestachelt durch die als Remigration verkleidete Forderung nach Ausländervertreibung sind mehr als vier Millionen Menschen auf die Straße gegangen. Der Erfolg liegt gerade in der ziellosen Beliebigkeit des Ganzen. Jede und jeder können sich darin wiederfinden. Statt die Rechten in die Schranken zu weisen, mobilisiert man gegen Rechts. Nützt dies oder lenkt es davon ab, was nützen könnte? Die Umwidmung der Linkspartei in eine Bürgerbewegung folgt dem allgemeinen Trend. Viele Demonstranten haben zudem die Vorteile einer „kriegstüchtigen“ (Pistorius) Gesellschaft wiederentdeckt. Man weiß wieder, wer die Feinde sind, die mit deutschen Waffen am selben Ort bekämpft werden müssen, wo sie schon einmal wirkten. Beim Kriegswaffengebrauch gegen die „Achse des Bösen“ ehemalig kolonialisierter Länder bestehe nicht die im Gesetz beschriebene „Gefahr …, daß die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden“ (Art. 26 GG; Art. 6 KrWaffKontrG) Hunderte Milliarden von Euro werden für die Lieferung von Waffen in Spannungsbiete bereitgestellt. Absenkung der Sozialleistungen, Aufrüstung und Rückkehr zum Verbrennerauto finden in der Presse einhellige Zustimmung, was teilweise auch mit Demokratie gleichgesetzt wird. Dessen Subjekt, „das Volk“ steht lautstark, aber ratlos auf der Straße. Es verteidigt mit den Gelbwesten die Renten in Frankreich, empört sich folgenlos über das « Diktat von Profit und Geld und die Refeudalisierung der Wirtschaft“ (Stephane Hessel) , will Palästina befreien oder Amerika den Neo-Amerikanern erhalten.
Wofür?
“Wehrhafte Demokratie”, “Bunt statt braun”, “Es ist Zeit, die Demokratie zu verteidigen”; “Stoppt die Brandstifter. Stoppt die AfD”. „Zeig Rassismus die rote Karte“; Kämpfe mit uns für eine offene Gesellschaft; „Respekt zeigen – für eine offene, bunte Gesellschaft. Für unsere Demokratie.“ „gegen Rassismus und Ausgrenzung“; „mit Betroffenen und Opfern solidarisieren“; „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“; „Nie Wieder ist Jetzt! gegen Rechts“; „Respekt, Vielfalt, Demokratie“. „Gegen Menschenfeindlichkeit“
Wogegen?
Rechtsextremismus: Arbeitslose sozialer Unterschichten (wie beispielsweise Bettler, Prostituierte, Obdachlose, Trinker, Nichtangepasste, Aussteiger) sind ‚arbeitsscheue Asoziale‘. “Wir sind kulturell eine Identitäre Bewegung”; ‚befreite Zonen‘ ermöglichen, dass die ‚Volksgenossen‘ frei von äußerem Zwang sich entfalten; Demokratie macht das Volk wehrlos, Juden streben die ‚Weltherrschaft‘ an und vernichten ‚völkische Identität‘; Wir schützen die Deutsche Kultur durch Vertreibung (‚Remigration‘) von ‚Fremdvölkischen‘ vor ‚Überfremdung‘; Ausländer sind krimineller als Deutsche; Deutsche gehören zu einer höherwertigen ‚germanischen Rasse‘; Juden, Afrikaner, Asiaten, Russen, Polen etc. dagegen nicht. Andere Rassen sind minderwertig. Ein Volk muss die Stärksten stützen, um sich erfolgreich behaupten zu können: Führer befiehl, wir folgen. ‚Das Boot ist voll; der Topf ist leer‘
Nazi-Nostalgie: Es war nicht so schlimm, insbesondere gab es keine Massenvernichtung („Ausschwitzlüge“), Die Deutsche Wehrmacht war integer, Hitler schenkte den Deutschen die Autobahn und beseitigte die Arbeitslosigkeit; Euthanasie befreit Deutschland von unnützen Essern; das ‚Führerprinzip‘ garantiert, dass sich das Volk als Ganzes durchsetzt; mit Kollektivschuld werden Deutsche in Sippenhaft genommen; Hitler hat dem Kommunismus Einhalt geboten.
Was bedeutet Rechts?
Rechts im Parlament
Die Metapher der politisch rechten Parteien hat sich im Parlamentarismus entwickelt, weil die Neuankömmlinge in der politischen Macht auf der linken Seite hinzugefügt wurden. Das hatte viel mit Ständen und Ländern zu tun.
Nach Wikipedia hatte das älteste Parlament, das englische De Montfort Parliament von 1264 als ein Ratgebergremium des Königs eine solche Sitzordnung. Die erstmals zugelassenen auch bürgerliche Vertreter saßen links. Es waren aber zunächst nur englische Abgeordnete. Seit dem 16. Jahrhundert kamen walisische, seit dem Act of Union 1707 schottische und seit 1801 auch irische Mitglieder hinzu.
Das französische Parlament von 1789 übernahm als Ständeordnung diese Sitzordnung. Der Adel saß rechts In der Nationalversammlung, das Bürgertum links, die Arbeiter blieben draußen.
Rechts ist nicht richtig
Die Sprache hat rechts eher einen Ehrenplatz als ein Feindbild zugeordnet. Prägend war das 20. Jahrhundert. Rechts (right) und richtig (right) teilten sich die Herkunft. Die staatliche Ordnung folgte dem Recht. Für Engländer wie Franzosen sind Rechte (rights, droits) und rechts (right, droit) dasselbe. Rechtmäßig ist die höchste Anerkennung für Staatsdiener. Rechtschaffend ist moralisch hochwertig, linkschaffend gibt es nicht, dafür aber linkisch für unbeholfen und linken für Betrug. Im französischen (droit) meint „ganz rechts“ (tout droit) geradeaus. Man fühlt sich international recht wohl, ist recht erfolgreich oder auch rechtgläubig. Es geht der Linken wie dem weiblichen Geschlecht. Dem herrlichen Mann tritt die dämliche Frau gegenüber. Frau Meier ist durch ihre Biologie bestimmt (Frau statt Dame), Herr Meier durch seinen gesellschaftlichen Status (Herr statt Mann).
Ein ähnlicher Paternalismus zwischen links und rechts herrschte in der Kirche: „Im traditionellen Raumprogramm der Sakralarchitektur wird die Epistelseite (rechts) als Männerseite und die Evangelienseite (links) als Frauenseite“ (bezeichnet).
Dabei ist der Mensch zumindest äußerlich symmetrisch und hat keinen Grund die Seite, auf der das Herz schlägt, gering zu schätzen. Die Umerziehung der Links händischen Kinder brachte daher ebenso wenig Vorteile wie in den USA und Kanada die Umstellung des englischen Linksverkehrs auf kontinental europäischen Rechtsverkehr.
Rechts ist reaktionär
Politisch Rechts meint etwas anderes. Das haben Mussolini, Hitler, Franco, Salazar, Antonescu, Horti und der Kaiser Hirohito deutlich gemacht. Sie haben nichts erhalten aber alles zerstört. AFD, Fratelli D’Italia und Mouvement National nehmen die Witterung wieder auf. Doch bevor sie ihre Ziele erreichen, muss die Sprache die Inbesitznahme des Rechts für rechte Politik und Moral abbauen.
Rechte sind nicht rechts, sondern reaktionär. Sie sind auch nicht rechtschaffend, die AFD handelt nicht rechtmäßig, weil sie rechts ist, es gibt keinen Zusammenhang zwischen Rechts und Ordnung. Rechts ist auch nicht richtig. Die Rechtsordnung des Rechtsstaates beruht nicht auf einem wie immer herschenden Recht der Richter, sondern auf demokratisch geschaffenen Gesetzen und der Verfassung. Rechtgläubigkeit ist fundamentalistisch.
Gegen Rechts hilft nur Links
Der Kampf gegen Rechts wird am besten dadurch geführt, dass man das, wogegen die Rechten kämpfen, herausarbeitet und damit ein Konzept präsentiert, an dem politische Entwicklungen gemessen werden können. Zum Konzept gehören Mehr Demokratie wagen (Willy Brandt), Volk als Nation (Montesquieu) , Recht statt Gewalt, Frieden statt Krieg (Tolstoi), gutes Leben für alle (Aristoteles) , Überwindung der Armut (Marx), Partnerschaft statt Kolonialisierung (Fanon), Gemeinschaftsbildung durch Vergesellschaftung (Tönnies), Respekt vor der Natur statt Raubbau (Franz von Assisi) etc.