Die vorstehende Grafik zeigt die Anteile, die farbige Bürger der USA zwischen 2017 und 2019 an der Gesamtbevölkerung (12%), den Strafgefangenen (62%), den Armen (22%) und den Opfern von Polizeischüssen (28%) ausmachen. Die größte Benachteiligung zeigt sich bei den Strafgefangenen. Der Anteil bei Polizeiopfern entspricht etwa der Armutsquote. Ist das Grundübel ihrer Diskriminierung Armut oder Rassismus?
Klasse oder Rasse
Die Tötung von George Floyd hat das soziale Pulverfass der USA zum Überlaufen gebracht. Die nationale wie internationale Empörung bei Liberalen und Linken sieht darin Rassismus, ein Erbe der Sklaverei und der systematischen Benachteiligung der farbigen Bevölkerung. Dazu passen Bilder von White Supremacy Aktivisten, Nazis und Tea Party Anhängern, Bemerkungen des Präsidenten sowie die allgemeine Geringschätzung der Fähigkeiten Farbiger bei der weißen Mittelschicht.
Auch die Coronakrise hat, so der Gouverneur von New York, Statistiken hervorgebracht, wonach unter den 1,8 Mio. Infizierten ebenso wie bei ihren 105.000 Opfern farbige Bürger fünf Mal häufiger in Erscheinung treten als Weiße. Statistiken über Hauskredite (HMDA-Daten), Einkommen, Arbeitslosigkeit, Wohnverhältnisse, Sterblichkeit, Gefängnisbelegung oder Mordopfer kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die acht Jahre mit einem afro-amerikanischen Präsidentenpaar haben daran wie an den regelmäßigen Polizeiopfern ebenso wenig geändert.
Corona und Kriminalität scheinen allerdings wenig miteinander zu tun zu haben. SARS II ist nicht rassistisch, Derek Chavin wird dies vorgeworfen. Das Ergebnis sind hier dann „Rassen“unruhen, Empörung, Emotion, Zorn, Vandalismus und Plünderungen. Die 1000den von farbigen Corona-Toten spielen hier aber keine Rolle.
Die Antidiskriminierungspolitik der USA ist in einer vielleicht sogar gewollten ideologischen Falle. Die Farbigen sind ökonomisch und sozial benachteiligt. Die Benachteiligung führt dazu, dass sie wie die Immigranten in Deutschland in die Gesellschaftsklassen fallen, die mehr Probleme haben aber auch machen.
Ob die Anti-Rassismus-Ideologie überhaupt stimmt, ist ebenso fraglich. Schließlich übernehmen sie ja von den Rassisten deren Feindbestimmung. Statistische Beweise sind ja nur so leicht, weil die Zuordnung ebenso oberflächlich erfolgt wie in der rassistischen Dummheit, die nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen Eigenschaften der Menschen unterscheiden kann.
Schwarz-Afrikaner sind keine Rasse. Gleichwohl kann man sie dazu erklären, sie abstrakt mit negativen Eigenschaften belegen, ihnen Verschwörungsziele unterstellen und sie rassistisch bekämpfen.
#GeorgeFloyd
George Floyd wurde von vier Polizeibeamten auf offener Straße in Minneapolis erstickt. Der Ermordete war wohl vorher im selben Sicherheitsdienst wie der Mörder beschäftigt. Gekannt haben sie sich trotzdem nicht.
Gefilmt wurde das Vorgehen von mehreren Handys und einer Überwachungskamera. Eine direkte Absicht der Tötung wird nicht unterstellt. Es ist eher das, was die deutschen Strafgerichte als „billigend in Kauf nehmen“ bezeichnen, wenn sie fahrlässige Tötung für nicht ausreichend halten.
Im Zentrum der politischen Diskussion steht bei Liberalen wie Linken aber der Vorwurf der Rassendiskriminierung. „Black life matters“ konzentriert die Kritik auf das Verhalten der Polizei gegenüber Afro-Amerikanern. Rechtsextreme Gruppen werden verdächtigt, anzureisen, um einen Rassenkrieg zu entfachen.
Afro-Amerikaner wurden bis in die Apartheidspolitik der 1950ziger Jahre in den Südstaaten entrechtet. Aus den Sklaven wurden später billige Arbeitskräfte, auf deren Rücken der weiße Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen konnte.
Doch passierte dies deshalb, weil die White Anglo American Protestants (WASP) jenseits des Atlantiks größere Rassisten waren als in ihrem Mutterland oder brauchten sie die Verachtung, um den Verstoß gegen die Gleichheitsforderungen in Absatz 2 ihrer Unabhängigkeitsdeklaration mit der Sklaverei zu vereinbaren und Menschen zum eigenen Nutzen ausbeuten konnten? In der Deklaration von 1776 heißt es:
Wir halten es für eine offensichtliche Wahrheit, dass alle Menschen in Gleichheit geschaffen wurden, dass sie mit bestimmten unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, unter denen sich das Recht auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück befindet.
Rassistischer Anschlag
Die handelnden Polizisten passen schlecht in unsere Rassismus-Skala. Es fehlt das Feindbild. Gleichgültigkeit und Geringschätzung bei den Tätern im Staatsapparat sowie mangelnde Empathie sind die Merkmale. Es fehlt die abstrakte Angst vor dem Kollektiv der Opfer, die konkret benachteiligt werden. Das Opfer ist eher Straftäter.
Das zeigt auch die eingangs wiedergegebene Statistik. Die 2.378 Tötungen durch US-Polizisten in den Jahren 2017-2019 verteilen sich im Verhältnis der drei großen ethnischen Gruppen („races“) gar nicht so unterschiedlich. Während die „Weißen“ 62% der Gesamtbevölkerung ausmachen, beträgt ihr Anteil bei den Polizeiopfern 52%, bei den Farbigen sind es 28% Opfer bei 12% Bevölkerungsanteil. Das ist zwar signifikant und deutet auf eine erhöhte Gefahr hin aber andere Zahlen sind dramatischer.
2,121 Mio. Strafgefangenen beherbergt die USA als größtes Gefängnis der Welt. Hier sind die Unterschiede weit gravierender. Die Chance eines/einer Farbigen ist mit 62% der Gefangenen bei einem Bevölkerungsanteil von 12% umgekehrt proportional zur Chance eines Weißen, ins Gefängnis geworfen zu werden (11%:62%). Gleichwohl stehen Strafjustiz und Staatsanwaltschaft nicht so am Pranger wie die schlecht ausgebildete Polizei. Kriminalität lässt sich leichter den Kriminellen selber anlasten wie tödliche Polizeischüsse. Signifikanter ist auch die Armutsquote, die Bildung, Konsum, Wohnsituation und Arbeit betrifft.
Corona bringt es an den Tag
Die Rassismus-Diskussion in den USA und Europa verwechselt Ursache und Wirkung. Rassismus steigt und fällt mit den Bedingungen, für die er lebt. Es sind langfristig die Vorteile, die der Rassismus seinen Anhängern bietet, die ihn zu einem wohlfeilen Instrument machen. Doch die Corona-Krise macht auch deutlich, dass materielle Bedingungen, in die Menschen hineingeboren oder in denen sie leben, der eigentliche Nährboden der Diskriminierung sind, von dem der Rassismus-Vorwurf ablenken kann.
Es ist billiger, einfacher und kurzfristiger Schulungen für Polizisten anzukündigen als die Kriminalitätsrate unter Farbigen zu senken. Hierzu gibt Lisa A. Cooper von der Johns Hopkins Universität auf der zentralen Coronaseite dieser Universität im letzten Satz einen treffenden Hinweise, warum die Rassenbenachteiligung als Klassenbenachteiligung begriffen werden muss. Dies gilt nicht nur für Krankheiten, sondern ließe sich beliebig für Bildung, Wohlergehen, Wohnen und Konsum erweitern.
„Wir verfügen über Daten die zeigen, dass die meisten allgemeinen Gesundheitsrisiken verschiedene Gruppen unserer Gesellschaft ganz unterschiedlich betreffen. Wir wissen z.B., dass hoher Blutdruck, Herzschwäche, Diabetes und Krebs mit dem Alter zunehmen. Wir wissen, dass Depressionen, Übergewicht mehr unter Frauen als Männern verbreitet ist. Eine große Menge von Daten zeigen Unterschiede nach Rasse, Ethnie, sozialer Klassenzugehörigkeit und dem Lebensalter. Jedes Jahr werden Tausende von Afroamerikanern, Indianern und Latino Babys in die Armut und andere widrige Umstände hineingeboren, die sie dem erhöhten Risiko von Übergewicht, Herzkrankheiten, Diabetes und Asthma aussetzen. Jugendliche und Heranwachsende aus benachteiligten Schichten sterben eher als ihre weißen Gegenüber, kämpfen mehr mit Gesundheitsproblemen wie Essstörungen, Asthma, neurologischen und psychischen Beschwerden. Unter den Erwachsenen sterben Afro-Amerikaner weit eher als ihre weißen Gegenüber. In jüngeren Jahren leiden sie in höherem Maße an zu hohem Blutdruck, Herzkrankheiten, Niereninsuffizienz, Rückenmarkkrebs. Lations und Ureinwohner Amerikas haben höhere Raten beim Übergewicht und Diabetes wie Weiße. Im Rentenalter sind diese Gruppen weit mehr an Krankheiten und Behinderungen als die älteren Weißen. Diese Gesundheitsprobleme stellen vermeidbare Unterschiede bei den Belastungen durch Krankheit, Körperverletzung, Gewalt oder beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen dar, wie sie sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen erfahren.“
Anti-Rassismus-Strategie
Klassenprobleme sollten nicht länger auf Rassenprobleme reduziert werden. Vielmehr sollte deutlich gemacht werden, dass solange systematische Klassenbenachteiligung der Unterschicht als erfolgreiches Wirtschaftsstreben unbeanstandet bleibt die Gefahr, die für die Masse der Bevölkerung mit rassistischen Stereotypen zu unterlegen, groß ist. Die fast hälftige Beteiligung der weißen Jugendlichen an den Demonstrationen für #GeorgeFloyd ist ein hoffnungsfroher Ansatz. Das sollte auch für die Opfer der Polizeigewalt gelten. #Humanlivematters regardless of its colour.