Die SPD wird im Jahre 2025 seit 1966 36 Jahre auf der Regierungsbank gesessen haben. Das Programm ist vielversprechend aber im sozialen Bereich gewohnt unpräzise. Die MinisterInnen sind interessant. Verstörend ist nur die Herkunft des Kanzlers und sein Bekenntnis, dass das Ziel ist:„Wiedergewählt zu werden“, was auf eine posttraumatische Belastungsstörung nach stetigen Niedergang hindeuten könnte. Wir können auf die soziale Frage nicht wieder verzichten. Daher heißt es genau hinzuschauen. Es steht viel auf dem Spiel.
Die Ampel steht auf Rot
Bei der Vorstellung des Programms posierten die Ampelfunktionäre vor den in großen Lettern umformulierten Zielen der französischen Revolution. War es einst Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit so wird daraus jetzt Freiheit (FDP), Gerechtigkeit (SPD) und Nachhaltigkeit (Grüne). Das klingt vielversprechend. Doch es könnte auch ein Missverständnis sein, bei dem die Grundwerte in Interessenbereiche aufgespalten und versteigert wurden. Die FDP darf dann Freiheit durch Liberalität ersetzen und erhält zur Blockade die Ministerien der Justiz (rechtlich nicht machbar), Finanzen (Schuldenbremse) sowie einen Deckel auf der Forschung (Subventionsabbau) und Bildung (Exzellenz- und Elite). Die Grünen konzentrieren sich auf allgemeine Werte bei Klima, Frieden, Europa, Familie, Umwelt und Verbraucher. Da bleibt für die Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit nur die SPD, die dafür die staatlichen Machtapparate von Beamten, Polizei und Wohlfahrt übernimmt. Ob Kubicki die Freiheit zur Herrschaft des Marktes und Habeck Umwelt- und Verbraucherschutz auf moralische Werte reduziert bleibt abzuwarten: die Ziele bleiben vage. Das Mittel heiligt den Zweck. Ob sie helfen, die Ziele zu erreichen, wird man erst danach wissen. Aufschluss könnte die Evaluation der rot-grünen Fußgängerampel 1998/2002 bieten, die damals die FDP nicht brauchte, weil sie insgesamt in gelbes Licht getaucht blieb.
Almosen sind teuer
Wer soziale Gerechtigkeit einfordert, kommt an der SPD nicht vorbei. Sie verwaltet sie. Ihren schimmernden Inhalt haben wir aus den Wahlprogrammen an anderer Stelle herausgefiltert. Schon dort fiel auf, dass Gerechtigkeit selber kein Ziel ist, sondern nur ein Mittel, für „eine starke Gesellschaft, die Extremismus, politischem Hass und gesellschaftlicher Hetze den Kampf ansagt und vor Kriminalität schützt“. Mindestlohn, Bürgergeld, BAFÖG, Mietbremse und Wohngeld mildern die ungleiche Ausschüttung der Sozialhilfe. Diskriminierungen in Arbeit, Konsum und Familie sind nicht im Fokus.
Doch die Zeit, in der soziale Gerechtigkeit aus der Portokasse finanziert wurde, ist vorbei. Die nächste Runde politischer Auseinandersetzung wird ein weltweiter Verteilungskampf sein. Unsere Reichen werden mit der Natur (Wetter, Viren und Vulkane) und bevölkerungsreichen Opfern ihrer ehemaligen Expansion (BRICS; G20 statt G7)) konkurrieren. Sie werden mit den Jungen und den Armen in Wettstreit treten, die die Macht des allgemeinen Stimmrechts entdecken werden. Alle wollen, dass die menschliche Gesellschaft auch ihren Bedürfnissen gerecht wird, sonst werden sie nicht mitmachen, weder beim Impfen noch bei der Entwicklungshilfe. Zoo und botanischer Garten sind ebenso wenig wie gleiche Verschmutzungsquoten für China und Liechtenstein eine Lösung. Die altersgerechte Krankheitsversorgung, die 90% bei den Alten verausgabt, wird ungerecht, wenn die anderen der Triage anheimfallen. Ein Obdach für die Wohnungslosen und eine Beschäftigung für Arbeitslose ist ebenfalls zu wenig. Sozialhilfegerechtigkeit kostet Geld, dass nur solange werthaltig ist, wie alle daran glauben. Dies kann zukünftig weder aus der erhöhten Produktivität kapitalistischer Wirtschaftsweise (das nutzen inzwischen auch die Entwicklungsländer) noch aus den Überschüssen des (Neo-)Kolonialismus (Kreditzinsen, Kartellen, Zöllen und Wirtschaftssanktionen) finanziert werden. Ein erneuertes Verteilungssystem von unten nach oben ist notwendig.
Haltet den Dieb
Sie braucht Gerechtigkeit, das ist gleiche Freiheit für die anderen. Sie ist sozial oder nicht gerecht. Es ist genug für alle da, nur nicht an dem Platz, wo wir dies brauchen. Die SPD sieht das ebenso aber meint sie es auch? Sie stellte sich an die Spitze der Pandemiereaktion, entband aber den einzigen Experten, den man im Bundestag hat, von seiner Sprecherfunktionen. Jetzt ist er Minister. Aller Achtung. Vorher aber hat man noch in den §§5, 28a-c Infektionsschutzgesetz einen undurchdringlichen seitenlangen Wust von Einzelbestimmungen formuliert und dabei den „pandemischen Notstand von nationaler Bedeutung“ aufgehoben. Der linke Arm wird abgehackt und am rechten ein sechster Finger befestigt.
Schon unter Rot-Grün sanierten für die SPD die Konzernbetriebsräte der Vierrad-Industrie die soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Sie (über)forderten und (be)förderten Langzeitarbeitslose, Migranten und Alleinerziehende ins relative Elend, verschafften den Banken mit drastischer Verkürzung der Verjährungszeit eine Generalamnestie, brachten mit den Finanzmarktförderungsgesetzen die heiße Luft unter der Kruste der Wohlanständigkeit zur Explosion, fuhren mit Subventionsabbau, Privatisierung, Ersatz der Mietpreisbindung den sozialen Wohnungsbau vor die Wand und verkauften die Stadtplanung an Investoren. Der wirtschaftliche Verbraucherschutz ist ein trauriger Mosaikstein, wie aus der „Zügelung wirtschaftlicher Macht“ im Grundgesetz der Schutz von Schnäppchenjägern Glücksrittern mit Geld machte. Wer Geld braucht geht leer aus, wer es hat wird gefördert.
Das hundertjährige Haustürverbot bei Kreditvergabe wurde durch ein zweiwöchiges Widerrufsrecht ersetzt, die Haftung der Banken wegen Fehlverhaltens von 30 Jahren auf 3 Jahre verkürzt, ein Papierwust von Informationspflichten geschaffen. Das tausendjährige Wucherverbot wurde bei freiwilligem Abschluss außer Kraft gesetzt, dafür aber eine Provisionsobergrenze für Versicherer (nicht für Banken) eingeführt. Inkassowucher wurde erlaubt, in den Adelsstand der Rechtsanwaltsgebühren erhoben und dann um wenige Prozent gedeckelt. Verzugszinsen wurden begrenzt dafür aber die Zinsverjährung zugunsten der Banken verlängert. Die Wohlverhaltensperiode bei Insolvenz wurde für die gekürzt, die noch zahlen konnten, den dreijährigen Pranger bei SCHUFA und Insolvenzregister ließ man unangetastet, die Termingeschäftsfähigkeit wurde auf eine Informationspflicht reduziert. 30 Seiten Informationspflichten sanktionieren mit einem chaotischen Sprachgebrauch falsche Berechnungsarten, absurde Begrifflichkeiten und eine Informationsüberflutung. Dafür schaffte man als Verdienstquelle für amerikanische Anwaltsfabriken Sammelklagen und automatisierte Inkassoverdienste.
Wer hat sich das alles ausgedacht?
Das alles passierte von und mit der SPD. Man sollte vorsichtig sein. Kurt Tucholski meinte vor 100 Jahren: „Es ist ein Unglück, dass die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas – : vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.“
Was ist die SPD. Scholz hält sie für eine wunderbare Gemeinschaft. Programm, Genossen oder Wahlverein? Gegenüber dem Bewerberkarussell der CDU bot sie einem Volk, dass seine FührerInnen gerade in der Pandemie möglichst lange braucht eine Ein-Mann-Show.
Die Zugehörigkeit zu einer „Genossenschaft“ ist kein Plan oder Programm. Es ist ein Verein, dessen Stärke mit dem internen Verteilungssystem wächst. Das kann sich innerhalb von 4 Wochen ändern. In einem Chaoshaufen profitieren die Macher. Die Linke sorgte für das Wohlfühlen, die Rechte für das Machen. Schuhmacher gegen Ollenhauer, Wehner gegen Erler, Schmidt gegen Brandt, Schiller gegen Eppler, Schröder gegen Lafontaine, Scholz gegen Esken. Prediger contra Macher, Oppositionelle gegen Beamtenanwärter, Seeheimer Kreis gegen die Parlamentarische Linke. Knapp überlebt hat diese Arbeitsteilung, weil der Kapitalismus sie an der Verteilung der Überschüsse beteiligt hat und weil, wo es nichts mehr zu verteilen gab, die Spendenromantik für Ruhe sorgte.
Das passt in eine Ideologie, die Groß- und Finanzindustrie wuchern lässt, weil so die Wirtschaft als reife Feige in den geöffneten Mund der Partei fallen soll. Man kann dann Brüder zur Sonne zur Freiheit anstimmen- Darin wird, „das Sterben verlacht“ und beteuert: „Ewig der Sklaverei ein Ende. Heilig die letzte Schlacht“. Wer nach dem Kriegsziel fragt, dem wird die Wandervogelromantik angeboten, die die neue Zeit beschwört, „wann wir schreiten Seit’ an Seit’ und die alten Lieder singen und die Wälder widerklingen fühlen wir, es muss gelingen:“
Die SPD ernst nehmen
Wir müssen die SPD endlich wieder ernst nehmen.
Was tun?
- Einen Grün-Roten Untersuchungsausschuss über die „Erfolge“ der Fußgängerampel gründen.
- Jedem Gesetzentwurf neben der jetzt schon auszuweisenden finanziellen Belastung für Staat und Wirtschaft die Auswirkung auf Reichtum und Armut auferlegen.
- Ein SPD Parteiprogramm verlangen, das den Begriff der Gerechtigkeit anwendbar macht..
- Gemeinschaft/ Genossenschaft von Partei/Verein trennen.
- Frauen anständig behandeln und zu Wort kommen lassen..
- Eine neue APO bilden.
- Wenn es Not tut, neue kleinere handlungsfähige Parteien gründen, die gleichwohl im Parlament gemeinsam auftreten.