Libra – warum wir die Facebook-Währung verstehen müssen.

„Die Mission von Libra“ erklären Facebook & Co mit „einer einfachen globalen Währung und einer finanziellen Infrastruktur, die Milliarden von Menschen neue Chancen bietet: Geld neu definiert. Transformation der Weltwirtschaft. Um das Leben der Menschen weltweit zu verbessern.“ (https://libra.org/de-DE/)

Tatsächlich ist Libra eine ungedeckte nicht rückzahlbare Unternehmensschuldverschreibung, die durch entsprechende Werbung von Menschen weltweit als Zahlungsmittel akzeptiert werden soll und Facebook damit Milliardenkredite zum Negativzins verspricht.

Geld?

Geld ist eine „zirkulationsfähige Forderung“. (Reifner, Das Geld Bd.1 S. 43 ff)

Forderung: Das bedeutet, dass ein in Währungseinheiten ausgedrückter Betrag durch Vertrag oder Gesetz rechtlich durchsetzbar ist. Geld kann nicht in staatlicher Währung geschuldet sein. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann man mit jeder rechenbaren Forderung gegen wen auch immer bezahlen („sie abtreten“), die ein Gläubiger (z.B. ein Verkäufer) akzeptiert. (§364 Abs.2 BGB) „Geld ist was die Funktion des Geldes erfüllt.“ (Bundesbankpräsident Jens Weidmann) Daher kann man auch mit einem Bankkontoguthaben bezahlen, wenn es so ausgemacht ist. Wichtig ist, dass der Staat diese Forderung anerkennt und im Zweifelsfall mit seinem Apparat (Gerichte, Gerichtsvollzieher) eintreibt. Nur insoweit gibt es ohne Staat kein Geld.

Zirkulationsfähig: Doch ein Akzeptant reicht wie beim Wechsel deutlich nicht aus. Eine unbestimmte große Zahl von anderen Verkäufern, Dienstleistenden etc. muss diese Forderungen in den Augen des Zahlungsempfängers jetzt und in Zukunft als Zahlung akzeptieren. Dies hängt davon ab, dass die Forderung sich (1.) als Tauschmittel eignet, d.h. rechenbar, beständig, übertragbar und (möglichst) fälschungssicher ist, und (2.) die Nutzer solcher („verbrieften“) Forderungen daran glauben, dass sie die Forderung mit der gleichen oder höheren Kaufkraft auch wieder loswerden.

Vertrauen: Geld braucht also vornehmlich Vertrauen in diejenigen, die etwas als Geld anbieten und damit als Schuldner letztlich die einzigen sind, auf deren Vermögen man im Falle eines Zusammenbruchs dieses Vertrauens zugreifen kann. Alles Geld ist somit eine Schuldverschreibung, d.h. ein Kredit, den der Schuldner aufnimmt und mit einem Brief (security) allgemein anerkennt. Wie wichtig die Solvenz der Schuldner ist, lernen wir bei Hyperinflation, Währungsreform und Bankenzusammenbrüchen.

Libra

Erfüllt Libra diese Geldvoraussetzungen?

Zirkulationsfähige Forderung:

Libra soll als Zahlungsmittel weltweit eingesetzt werden können. Dies setzt voraus, dass es Verträge oder Gesetze gibt, die rechtlich verbindlich eine Zahlung mit Libra zulassen. Das ist angesichts der Vertragsfreiheit in kapitalistischen Ländern (zu) unterhalb der Wuchergrenze leicht zu erreichen.

Technisch wird die Libra auch zirkulationsfähig sein. Sie soll in Dollar notiert also rechenbar sein. Als vielfach gespeicherte rein immaterielle Information ist sie beständig und auch leicht übertragbar. Die Blockchain Technologie, die einerseits jede Information einmalig gestaltet und zum anderen die mit den Geldwäschegestzen mühsam errungene Nachverfolgung durch die Anonymität der Beteiligten aufhebt, macht es nach heutigem Stand der Technik durchaus fälschungssicher. Es kann somit die Geldfunktionen als Zahlungs-, Wertaufbewahrungs- und Rechenmittel erfüllen.

Vertrauen

Doch sie braucht Vertrauen und zwar nicht zu irgendjemand, sondern zu Facebook & Co.

Keine Wertgarantie der Schulden: Facebook „verspricht“, dass die als Libra bezeichneten Schuldverschreibungen (= Kreditaufnahmen beim Publikum) ohne Garantie des Nennwerts, sicher seien. Die mit harten Dollars gekauften Wertpapiere sollen im Wert von 1:1 durch Investments in Dollar gedeckt werden. Da Facebook aber damit „arbeiten“ will, um von der Rendite ihren für den Nutzer kostenfreien Aufwand zu decken, wird das Geld „angelegt“ und damit Risiken ausgesetzt. Dazu kommt aber, dass anders als normale Wertpapiere, deren Kurse entsprechend Nachfrage und Bonität der Schuldner sich bewegen (siehe Bitcoins), soll der Schein einer festen Währung aufgebaut werden. Sie soll nur so schwanken wie der Durchschnitt der Weltwährungen Dollar, Euro, Yen.

Hat Facebook also das 100%ige Deckungskapital verspielt, so soll der Libra den Wert behalten, den Facebook im Verhältnis zu diesen Währungen festgelegt hat. Die Pleite von Facebook würde daher den Kurs nicht betreffen. Konsequent lehnt daher Facebook wie bei Aktien die Rücktauschmöglichkeit in Dollar ab: Kreditaufnahme ohne Tilgung.

Warum gelingt es vielleicht doch? Facebook & Co nehmen also quasi Geschenke entgegen von Leuten, die hoffen, dass sie weitere Abnehmer finden. Beim Bitcoin (ausführlich Das Geld I Fn. 104), der schon gar kein haftendes Vermögen mehr anbietet, ist es die Gier der Spekulanten sowie die Gewissheit der Verbrecher, dass man ihre Geschäfte nicht nachverfolgen kann. Beim Libra ist es die enorme Kostenersparnis bei der Geldversorgung sowie die Macht, die sich Facebook und mit ihm wie man hört die US-Regierung verspricht. Sie kann weiter amerikanische Interessen mit ihren Boykotts und Strafen, mit Datentransfer und Überwachung unmittelbar steuern. Mit dem Niedergang des Dollars als Leitwährung gegenüber politischen Währungen wie dem Renminbi, der neuen Unabhängigkeit der EU von London und damit auch von New York spricht alles dafür, dass man sich die Libra etwas kosten lassen will. Spekulanten und Kriminelle wird es immer geben.

Misstrauen

Keine Bankenkontrolle: Die Geldschöpfung hat sich historisch von der Zentralbank (10%) zu den Banken (90%) verlagert. Das ist notwendig für die Liquidität und Flexibilität der Wirtschaft. Für diese Giralgeldschöpfung aber gibt es nicht zuletzt nach 2008 Regeln zu Überwachung, Konkurs, Liquiditätsschwäche, Qualifikation, Größe und Mindestreserven (EU Capital Requirement Directive IV). Faktisch weltweit bindende Basel IV-Empfehlungen weiten die Bankkontrolle international aus. Doch Facebook will selbst die Mindestvorschriften für Wertpapieremittenten ignorieren. Die Digitalisierung entschuldigt alles. Wer will sie nicht, auch wenn sie keiner versteht.

Irreführung:  Facebook benutzt schon jetzt (und die Presse kopiert) die Begriffe Geld und Währung, obwohl die rechtlich dafür vorgesehenen zivil-, straf- und aufsichtsrechlichen Mindeststandards (dazu Reifner, Das Geld III Recht des Geldes) nicht einmal erwähnt werden. Wer sein Geschäft ohne Konzession als Bank bezeichnet wird von der Aufsicht sanktioniert. Wo ist die BAFIN, wenn jemand seine ungedeckten Risikoschuldverschreibungen als Geld und Währung bezeichnet und damit das Publikum und die Politik betrügt?

Haftung: Sollte die Libra Bedeutung erlangen, so wird letztlich die Allgemeinheit die Spekulation so bezahlen, wie dies nach 2008 der Fall war. Entscheidend ist dann nicht das Recht, sondern der Wähler, der plötzlich unbrauchbare Kontostände bei Facebook gemeldet bekommt und vom Staat Hilfe erwartet, die letztlich woanders ankommt.

Alternative

Es ist richtig, dass der Zahlungsverkehr auch nach der neuen Regulierung mit der Payment Services Directive II weit hinter den Möglichkeiten unserer Zeit stehen bleibt: zu langsam, zu umständlich, zu Fehleranfällig, zu wenig Computernutzung. Der Erfolg der FinTechs gegenüber den Banken liegt an deren Schwäche. Machtkämpfe, Staatsnähe und Innovationsfeindlichkeit haben sie beim Geldverdienen vergessen lassen, ihre Computer nachzurüsten, ein weltweit vernetztes PayNet über Handys aufzubauen. Sie haben die Chancen der Blockchain-Technologie verschlafen bzw. sich hinter überholten Vorschriften versteckt. 150 Jahre Bankwissen und Bankenkontrolle laufen ins Leere, wenn es das gibt, was Bill Gates prophezeite: Bankgeschäfte ohne Banken. Dass Apple mit seinem Iphone ein bankgestütztes bankübergreifendes Bezahlsystem in Deutschland verhindert, sollte die Kartellbehörden alarmieren.

Dass die geldpolitischen Grünschnäbel aus dem Silicon-Valley den Ton bei der Geldentwicklung angeben, liegt natürlich auch daran, dass sie mit Sprache und Auftreten, mit neuen Schlagwörtern wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz es geschafft haben, sich eine ganze Politiker- und Gelehrtenkaste zu unterwerfen, die nicht erkennen, dass die Grundfragen unserer Gesellschaft mit den neuen Materialien und Maschinen nur vernebelt werden und keine Antworten bieten.

Ethik: Schlimmer noch ist es, wenn ein Marc Zuckerberg, der weder weiß was Geld ist, wozu es dient und wie es die Kooperation in der Wirtschaft fördern aber auch behindern kann, sich zum Entwicklungspolitiker erklärt. Wie schon die betrügerische Mikrokredit-Bewegung (Das Geld II S. 179 ff), die er in der Gestalt von Kiva (aaO Fn. 354) ins Boot geholt hat, werden die Zahlungs- und Kreditsysteme in der Dritten Welt nur zerstört werden. Es genügt die Zinssätze im Kleinkredit, die Gebühren bei Western Union oder die Staffelung bei VISA Händlergebühren zu vergleichen. Die Dritte Welt braucht funktionierende staatlich überwachte Banksysteme, die das im eigenen Land generierte Sparvermögen zusammenfassen und für dieses Land zugänglich machen. China hat dies vorgelebt. Die Kolonialisierung durch Kommunikations-, Bank- oder Industriekonzerne in Afrika, Indien und Bangladesh steht für das Gegenteil. (UR)

EZB und Bundesbank, BAFIN und EU-Bankenaufsicht sollten nicht nur den Bankbegriff, sondern auch den Geldbegriff schützen. Demokratie braucht Verständnis, sonst werden wir bald wie in den USA das Wissen über die Erschaffung der Welt von den Kreationisten übernehmen.

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