Kapitalismus als Toolbox

Sozialisten legitimieren sich oft damit, dass sie im Unterschied zu den bürgerlichen Parteien den Kapitalismus als Inkarnation einer bösen Gesellschaftsordnung bekämpfen. Wer Gutes will soll sich anschließen. Auch die Faschisten machten den Kapitalismus für den Untergang des Abendlandes verantwortlich. Religionen rechtfertigen auch heute noch ihren moralischen Führungsanspruch mit ihrer Fähigkeit, Geld, Gier und Geltung zu zügeln.

Doch ist der Kapitalismus wirklich die Ursache dysfunktionalen Wirtschaftens? Wir kommen zu eineam anderen Ergebnis: er ist in der Praxis nur ein politisch einsetzbarer Werkzeugkasten, der gerade auch durch Konkurrenz mit nicht-kapitalistischen Instrumenten ergänzt und verändert werden könnte.

„Kapitalismus tötet?“

Die Gesellschaftsordnung, in der sich der Westen  zu Hause fühlt, wird als Kapitalismus bezeichnet. Ihm werden Tätigkeiten und Eigenschaften, Gier und Ausbeutung aber auch Wachstum, Produktivität, Rationalität und Gerechtigkeit zugeordnet. Er ist Eigentümer dieser Gesellschaft und bestimmt für Gegner wie Befürworter Staatsform, Wirtschaft und Gesellschaft. Gerade weil man nicht weißt, wer oder was er ist, lässt sich damit aber auch alles begründen. Die Linke hat sich für ihre Theorie des Sozialismus antithetisch an diese Bezeichnung gebunden. Doch will sie überzeugen so muss sie den Kapitalismus auch verstehen, soll ihr Gegenstand nicht zur Verfügungsmasse ihrer erklärten Gegner werden. Daran aber mangelt es.

Antikapitalismus

Ähnlich wie Antisemitismus, Antikommunismus, Antifaschismus ihren Gegenstand erst in der Ablehnung erkennbar machen, so nimmt auch der Kapitalismus vor allem im antikapitalistischen Diskurs Form an. Darin geben die Diskutanten ihrem Streben, ihrer Ideologie und ihrem Kampf Sinn und Richtung. Existenz und Wohnsitz des Kapitalismus werden nicht bestritten. Wer will kann sich im Kleinen wie im Großen seiner Herrschaft anvertrauen und ihn zur eigenen Machtentfaltung nutzen. Das gilt selbst für die, die ihn moralisch verdammen.

Die Befürworter des Kapitalismus schicken ihn nicht in den Konkurrenzkampf zwischen Gut und Böse. Er wirkt nicht, weil er soll, sondern weil er gilt. Moralisch gesehen ist er ein notwendiges Übel. Seit Aristoteles verweigert man dem geldwerten Eigennutz bei Tausch und Akkumulation das soziale Gütesiegel. Er treibt sein zersetzendes Spiel nicht, weil er überzeugt, sondern weil er sich durchsetzt. Dass er schlecht und böse ist, muss weder bestritten noch nachgewiesen werden. Als personifiziertes System ist er schuldunfähig. Dass er in der Wurzel schlecht ist, macht ihn nicht entbehrlich. Es gibt nichts Besseres. Wer ihn abschaffen will muss wie einst Sisyphos den Gesetzen der Schwerkraft zuwider den Stein (der Weisen) immer wieder den Berg hinauf wälzen. Er muss faktisch verhindern, dass bei jeder sich anbahnenden Kooperation sich auf der untersten Ebene wirtschaftlicher Praxis Mechanismen entfalten, wie diejenigen, die das Meerwasser bei aufkommender Flut aus den Poren des trocken gelegten Meeresbodens aufsteigen lassen und dadurch Watt wieder in Wasser verwandeln.

Kapitalismuskritik wird dadurch aber beliebig und fruchtlos. Hätte Galilei, statt sich der normativen Kraft des Faktischen zu beugen darüber nachgedacht, wie man die Sonne um die Erde schicken könnte, der mittelalterliche Mensch hätte seine Gesellschaft leichter verstanden und Pabst Urban VIII ihn nicht zum Schweigen verdammt.

Kapitalismus als Person

Papst Franziskus glaubt, dass der „Kapitalismus tötet“. Für die letzte Generation „zerstört er unseren Planeten“, für die Sozialisten „beutet er die Armen und Schwachen aus“, für die Pazifisten „entfacht er Kriege“, für die Dritte Welt bewuchert er die Entwicklungsländer. Wer ihn verändern will, muss ihn zuerst zum Feind erklären und seine Waffen beschreiben. Dazu gehören Zwang und Verführung. Zwang üben die Eigentümer aus und belohnen sich mit der Akkumulation des Kapitals in ihren Händen. Verführen und antreiben können die Versprechen individuellen Geldgewinns. Die Macht des Kapitals und der Geiz der Besitzindividualisten lässt sich nur durch Unterwerfung steuern. Man muss ihn einschränken, verändern, anpassen, kompensieren oder abschaffen.

Doch wie geht das: wer ist es, wo wohnt er, wie herrscht er, wer bestimmt ihn, wie kann man ihn erkennen? Ähnelt er den punktförmigen Elementarteilchen, deren Existenz nicht erfahren, sondern nur dich deren Wirkungen beweisbar ist? Ist der Kapitalismus einer feudalen Gottesvorstellung geschuldet, die wie im 2. Gebot der Bibel kein Bildnis erlaubt? Ohne Antwort ist es der Kampf Don Quijotes gegen die Windmühlenflügel, die er zu feindlichen Rittern erklärt.

Wer immer den Kapitalismus beschwor oder verfluchte, musste, um Armeen gegen ihn in Stellung zu bringen, sich den Gegner so aufbauen, dass man ihn wenigstens in Umrissen erkennen konnte. Seine selbsternannten Priester unter den Revolutionären in Paris oder Sankt Petersburg konnten ihn beliebig bestimmen. Negativ wie positiv genügte die Nennung seiner Eigenschaften. Die religiösen Gemeinschaften erkannten ihn bei drei ihrer sieben Todsünden: Geiz, Wollust und Neid. Bei den übrigen Übeln wie Faulheit, Hochmut, Zorn, Völlerei hörte die Feindschaft auf. In der protestantischen Ethik hellte sich das Bild auf. Fleiß, Gleichheit, Rationalität und Askese heilte den sozialen Mangel, mit dem die Sozialisten den Kapitalismus durch Armut, Ausbeutung und Privateigentum an Produktionsmitteln bestimmten. In Manchester und Chicago konnte man für sie diese Wirkungen plastisch erfahren.

Der Kapitalist, der für Marx nur als Charaktermaske existierte, verselbständigte sich. Yankee, Uncle Sam, Kipper, Geldwechsler und das Zerrbild vom jüdischen Banker erlaubten, den Kampf gegen die Windmühlenflügel eines unfassbaren Feindes in die Tradition der Kriege einzuordnen. Wie die französische und russische Revolution bewiesen, erlaubte dieser Kampf als Bürgerkrieg Adel und Nachbarstaaten als Feinde zu entlarven. George Orwell hat in seiner „Animal Farm“ mit zwei Regeln die Unterscheidbarkeit von Freund und Feind lächerlich gemacht: „Alles, was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind. Alles, was auf vier Beinen geht oder Flügel hat, ist ein Freund.“ Als die Schweine sich auf ihre Hinterbeine erhoben war es das Zerrbild am Ende. So wurde auch der „Bürger“ Robespierre zum Diktator, Napoleon zum Kaiser, Stalin zur Vorhut der Arbeiterklasse und Mussolini zum Duce.

Kapitalismus als System

Die Feindbestimmung als System überwindet die Personalisierung. Das System sei der Feind. Es habe wie Dr. Mabuse mit Frankenstein ein Monster geschaffen, das kein Tyrannenmord mehr beseitigen kann. Menschen seien darin nur Funktionäre und damit ersetzbar. Orwell und Huxley haben lange vor dem Horrorszenario Künstlicher Intelligenz die Ohnmacht beschrieben, die den Gott in der Maschine (deus ex machina) entdeckt. Den Sachnotwendigkeiten, die jede Wirtschaftsweise beim Ausbau gleich- und ungleichzeitiger Kooperation an sich hervorbringen muss, werden dunkle Mächte zugeordnet. Verschwörer führten bewusst die Entfremdung herbei, um die Welt zu beherrschen. Die Einsicht, dass die Industrialisierung Gemeinschaften entwirrt, um sie als Individuen maschinen- und damit kooperationstauglich zu machen, geht verloren.

Das systemische Feindbild ist gefährlicher als die Personifizierung. Mit ihm kann man den Kapitalismus nur noch besiegen, wenn man ihn zerstört und ausrottet. Weil die Herrschaft überall ist, kann letztlich nur die Anarchie die Welt von diesem System befreien. Der moderne Terrorismus ist dafür ein Ausdruck. In der Sprache des Krieges wird der Bodenkampf der Soldatinnen und Soldaten durch die Lufthoheit ersetzt. Drohnen, Raketen und Bomben erobern nicht mehr, sondern zerstören. Aufständische wie Fremdherrscher brauchen dazu nur noch Waffen und keine Ziele.

Kapitalismus ist die Summe seiner Eigenschaften

Auch wenn es den Kapitalismus nicht als System gibt, so ist er doch ein Element des wirtschaftlichen Denkens, das Wirtschaft formen, beeinflussen und mitbestimmen kann. Wo dies erkannt wird, ist kapitalistisches Denken veränderbar und nutzbar. Damit erhalten auch seine Alternativen eine reelle Chance für eine Wirtschaft, die sich seinen Grundsätzen nicht unterordnen soll.

Wer den Kapitalismus ändern, abschaffen oder einführen will, wer behauptet, den Antikapitalismus gefunden zu haben, wer Kapitalbesitzer für Unteroffiziere des Kapitals hält und von dieser Göttlichkeit auf die Erde entsandt wurden, der ersetzt die Wirtschaftsweise, die wir beeinflussen können durch eine Macht, an die wir glauben und für oder gegen die wir sogar kämpfen sollen. Weil die Flüchtigkeit seiner Fiktionen viele falsche Propheten ermöglicht, die uns seine Eigenschaften und Personifizierungen aufbereiten, sollten wir deren Schlüsse und Verhaltensanforderungen jeweils für sich betrachten und dort, wo sie wirken, beurteilen.

Kapitalismus ist weder eine Person noch ein System, sondern ein Denkmodell, das Elemente unserer Wirtschaft erklären kann aber nicht erklären muss.

Kapitalistische Geldwirtschaft

Die Urväter bürgerlicher Wirtschaftstheorie, Adam Smith und Karl Marx, benutzten den Begriff Kapitalismus nicht. Sie sprachen stattdessen von einer kapitalistischen Wirtschaftsweise. Sie meinten damit die das Wirtschaften betreffenden menschlichen Verhaltensweisen. Die nicht-kapitalistische Wirtschaft haben sie zwar vorausgesetzt, nicht aber analysiert. Das müssen wir nachholen, weil sie Modelle enthält, deren Anwendung den Kapitalismus erträglicher gestalten könnten.  Der wichtigste Hinderungsgrund ist dabei die Identifikation des Kapitalismus mit der Geldwirtschaft. Der Kapitalismus soll den Markt, der Markt das Geld, das Geld die Gier, die Gier die Konkurrenz der Kapitalmarkt die Akkumulation und die Globalisierung erfunden haben. Dem Kapitalismus werden so im Guten wie im Schlechten die Ergebnisse einer Geldwirtschaft zugeordnet und damit unveränderbar, weil die Nutzung des Geldes erst eine immer produktiver werdende Weltwirtschaft ermöglicht. Zwingt man die Kritiker kapitalistischer Denkweise, zugleich die Geldwirtschaft abzulehnen, so verkehrt sich progressive in reaktionäre Kritik. Der Erfolg kapitalistischer Denkweise beruht auf deren erfolgreicher Nutzung des Geldes. Die sozialeren Alternativen konnten mit dem Geld wenig anfangen und wurden zu Verlierern im Wettlauf um Produktivität. Es kommt daher darauf an, das Geldsystem zu nutzen, statt es zu verteufeln.

Wirtschaft, Geld und Kapitalismus

Die Menschheit muss arbeiten und dabei effektiv mit den natürlichen Ressourcen umgehen. Arbeit wird zu Wirtschaft, wenn sie kooperativ erfolgt. Sie unterscheidet sich vom Spiel durch die Nützlichkeit der durch sie erbrachten Leistung.  Zur Wirtschaft wird Arbeit erst, wenn sie kooperativ erfolgt. Geld und kapitalistische Arbeitsweise sind dagegen nur mögliche Mittel und Methoden des Wirtschaftens. (ausführlich Reifner, Das Geld 2017, Bd.1 S. 91 ff (= I,91 ff))

Die durch Arbeit erbrachte Leistung ist umso größer, je produktiver die Arbeit ist. Die Besonderheit menschlicher Arbeit ist dabei die Fähigkeit, sich mit anderen Menschen die Arbeit zu teilen. Diese Perspektive von Marx und Smith führt nicht weiter, weil sie zur Arbeitsteilung eine übergeordnete Instanz brauchen, die das Konzept bereitstellt und durchsetzt. Das Geheimnis von Wirtschaft eröffnet sich aber erst, wenn man aus der Perspektive der Arbeitenden selber diejenige Arbeit analysiert, die man als Wirtschaft bezeichnen kann. Das aber ist die Zusammen-Arbeit. Sie kann gleichzeitig oder ungleichzeitig, gemeinschaftlich oder gesellschaftlich erfolgen. Die Möglichkeit durch Ungleichzeitigkeit Arbeitsinstrumente für zukünftige Arbeit zu erstellen, macht das Denken der Mechanismen der Wirtschaft in der industriellen Fertigung selber zu einer Produktivkraft. Eine Maschine ist daher ebenso wie eine physikalische Erkenntnis der sinnhafte Ausdruck zukünftiger Kooperation. Je mehr Menschen dadurch zusammenarbeiten können, desto stärker die Kooperation, die Leistung und damit die Produktivität. Die Formen der Kooperation prägen damit die Leistung der Wirtschaft.

Revolutioniert wird der Prozess dort, wo sich durch die Entwicklung von Staatlichkeit, Steuern und Abgaben gleiches Geld entwickelt hat, das die Grundlage der Produktivität: die Akkumulation von Arbeitsleistungen beschleunigt. Die Verhältnisse, in denen Menschen ihre Kooperation wahrnehmen, die Produktionsverhältnisse, verlagern die für die Kooperation notwendige Kommunikation in die Zirkulation und Akkumulation von Geld. Man tauscht nicht mehr Waren, sondern Geld. Zwar haben dies auch schon feudale Wirtschaftssysteme versucht, aber dazu mit dem Gold eine Form des Geldes benutzt, die den Schein der eigenen Werthaltigkeit aufbaute. (I, 43 ff) Man dachte Wirtschaft also weiter in den Kategorien der Realwirtschaft und begrenzte damit Masse und Zirkulationsgeschwindigkeit des Geldes. Reichtum war Luxus und Land. Er korrespondierte mit den hierarchischen politischen Verhältnissen. Darin machte das Haben und Behalten an sich schon Sinn, da es sich jederzeit in Armeen und Befestigungen, Eroberungen und sichtbaren Luxus verwandeln konnte.

Im Kapitalismus aber wurde das Geld selber zum Ziel. Reich war man, wenn man viel davon hatte. Die unbeschränkte Einsetzbarkeit des Geldes für die Akkumulation von Geld selber entgrenzte die Idee des Reichtums. Kapital war jetzt nur noch das, was liquidierbar war. Name, Menge und Zirkulationsfähigkeit von Geld ersetzten die vollen Scheunen des reichen Kornbauers, dessen Reichtum verderben konnte.

Der Niedergang des (Anti-)Kapitalismus

Kapitalistisch nennen wir eine Wirtschaft, die Leistung nur noch in Geld und den Nutzen der Arbeit in der Kapitalvermehrung denkt. Sie ist eine Methode, mit der das Funktionieren real existierender Wirtschaft gedacht werden kann.

Sie verändert noch nichts dadurch, dass der Mensch sie denken kann. Setzt er aber sein Denken als organisierende Produktivkraft ein, so verändert sich das Wirtschaften. Es wird für die Wirtschaft insgesamt effektiver aber für den einzelnen ungerechter. Wer (mehr) hat, dem wird (mehr) gegeben. Es kann aber sein, dass die individuell Benachteiligten durch die höhere Produktivität aller mehr erhalten können als wie bei gerechter Verteilung des Bruttoinlandsproduktes.  Dies hat historisch das Schisma der Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts hervorgebracht. Die Sozialdemokraten orientierten sich am realen Reichtum der einzelnen Arbeitnehmer, indem man mehr von den Überschüssen abgab, die Sozialisten wollten eine gerechte Ordnung, in der die Arbeiterklasse kollektiv über die von den Kapitaleignern angeeignete Leistung bestimmen sollten.

Beide mussten zusehen, wie ihr Denkmodell allmählich scheiterte. Zunächst erfuhr der reale Sozialismus, dass die kollektive Organisation der Wirtschaft nicht nur in der Planung versagte, sondern auch noch neue Raubritter wie Partei und Staat hervorbrachte. Es fehlte die Verbindung zwischen kollektiver Steuerung und individuellen Interessen. Der angesichts der Konsumunzufriedenheit notwendiger werdende Unterdrückungsapparat erhöhte die unproduktiven Kosten. 1989 kollabierte das System. Daraus zog man fälschlich den Schluss, der Kapitalismus habe gesiegt und sich als überlegen erwiesen.

Tatsächlich begann der Niedergang der bürgerlichen Gesellschaft nur 50 Jahre später zu Beginn des 21. Jahrhunderts, als die Globalisierung die Möglichkeiten der sozialdemokratischen Kompensation nach schwedischem Vorbild minderte. Erst dann stellte sich heraus, dass die verteilbaren Überschüsse eher nicht nur aus der Überlegenheit der kapitalistischen Wirtschaftsweise an sich stammten, sondern der Reichtum der G7 zum großen Teil aus kolonialer Ausbeutung, ungerechten Finanzmechanismen und Preisen für Rohstoffe stammten. Nachdem der faschistische Umverteilungsversuch gescheitert war, schickten sich Fanons‘ „Unterdrückten dieser Erde“ mit Bürgerkriegen, Terrorismus und Militärbündnissen vor allem in der Dritten Welt an, sich das wieder zurückzuholen, was man jenseits der eigenen Grenzen geraubt hatte. Dabei gewannen vor allem diejenigen, die es verstanden, kapitalistisches Wirtschaften in ihre eigene Arbeit zu integrieren. Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas und der kleinen Tigerstaaten zeigte, dass die ehemaligen Kolonien den Transfer sogar umdrehen konnten. Die Kriege in Südostasien, Nordafrika und Arabien, die die USA und England nach der Domino-Theorie dem Westen aufzwangen, konnten den eignen Kapitalismus und seine Menschenrechte nicht ausreichend schützen. Vor allem aber wurde der post-koloniale Transfer so teuer, dass auch die im eigenen Land erwirtschafteten Überschüsse (Zuwanderer/Reallohnsenkungen) statt verteilt für die Erhaltung der Macht abgeschöpft werden mussten. Das Volk reagierte mit (populistischen) Bewegungen. Seine Existenzangst vor Überfremdung und Identitätsverlust brachte Propheten hervor, die ähnlich wie in der gescheiterten faschistischen Reaktion 100 Jahre früher die Bedrohung imaginären Verschwörern zuordnete und einen neuen Nationalismus propagierten. Sie benannten die „Achse des Bösen“ (USA) um in die „Achse des Widerstandes“ (Iran).

Der dritte Weg?

Keine Form der Organisation der Kooperation hat jemals alle tatsächlichen Prozesse des Wirtschaftens einer Epoche bestimmt. Die reziproke Gemeinwirtschaft (Urkommunismus) (I, 102 ff) der Edlen und Freien des antiken Athens koexistierte mit feudaler Sklavenwirtschaft, die sich aus Eroberungen speiste und zugleich in Konkurrenz zu einer kapitalistischen Außenhandelswirtschaft stand. In den Städten des Mittelalters organisierte das Bürgertum Handel und Handwerk, der Feudaladel dagegen die leibeigene Bauernwirtschaft. Raubkriege finanzierten sich aus Tribut und Steuern oder aus den Kriegskrediten der Fugger und Welser. Ideologisch zeigte sich das in der Kultur, bei der Religion und Rationalität um das Recht stritten, dem Volk Musik, Malerei und Literatur anzubieten, die dessen Grundüberzeugungen stabilisierten.

Den Dritten Weg konnte es nicht geben, weil sich dazu ein kapitalistisches und ein sozialistisches System hätten gegenüberstehen müssen. Stattdessen aber gab es zu allen Zeiten ein hochkomplexes Gemisch aus Wirtschaftsweisen, die miteinander um Erfolg und Anerkennung rangen. Dabei war ihr jeweiliger Erfolg häufig kein Erfolg der Wirtschaftsweise selber, sondern der für sie inszenierten Propaganda. So beherrschte das Privateigentum niemals den Staat und der Staat nicht alles Privateigentum. Die in den Religionen konstruierten Hierarchien mussten sich ihre Macht und Überzeugungskraft mit demokratischen Gleichheitsfantasien teilen, die Macht des Volkes fand ihre Grenzen in der Macht des Militärs usw.

Entsprechend fehlerhaft ist auch die Vorstellung von der stetigen Entwicklung der Wirtschaftsweisen vom Einfachen zum Höheren, von der geringeren zur höheren Produktivität. Die Stufenideologien des historischen Materialismus, die stetige Entwicklung des Geistes von der einfachen Wahrnehmung bis hin zum absoluten Wissen des Weltgeistes bei Hegel, das System der technologischen Revolutionen bis hin zur künstlichen Intelligenz oder das survival of the fittest sind Ideengebäude, mit denen die Vertreter einer Wirtschaftsweise ihre Nutzungsrechte im Bewusstsein der Menschen als natürlich und logisch verankern wollen. Doch das kann nicht gelingen. Denksysteme ändern sich mit der Zeit und den Umständen. Nach Ende des Kolonialismus mit Beginn der ökologischen Bedrohung, seit der Atombombe und der Aufrüstung der Dritten Welt ist der Fortschritt eher ein Rückschritt. Wer die Grenzen des Wachstums überschreitet schrumpft, wer verteidigt zerstört, wer ernährt schafft Hunger, wer heilt verbreitet Krankheitskeime, wer globalisiert Fremdenhass usw.

Gesellschaftliche Realität lässt sich nicht in Systeme zwängen. Es sind die Menschen, die je nach dem Nutzen, den sie daraus ziehen, die Realität in Systemen denken und damit ihren Machtansprüchen Legitimität verleihen wollen. Dass dies bis zur Absurdität möglich ist, hat der nationalsozialistische Rassismus gezeigt, der eine ganze Wissenschaft mit in die Organisation der Vernichtung schleppte.

Es gibt daher ebenso wenig einen real existierenden Kapitalismus noch die Möglichkeit eines real existierenden Sozialismus. Mit deren Unmöglichkeit entfällt dann auch der Dritte Weg, der schon logisch einen ersten und zweiten Weg voraussetzen muss.

Kapitalistische Wirtschaftsweise

Vom System zur Eigenschaft

Es gibt keinen Kapitalismus, es gibt aber eine kapitalistische Wirtschaftsweise. Sie ist nicht das einzige Denksystem, das die Produktivkräfte revolutionierte. Sklavenhaltung und Urgemeinschaft, Merkantilismus und Staatssozialismus vermochten ebenfalls das Wirtschaften produktiver zu gestalten. Kapitalistisches Denken war und ist nur eine Variante. Sie erfasst nur Teilprozesse. Wirtschaft als Kooperation ist dagegen die Summe menschlicher Anreiz- und Zwangssysteme zur verbesserten Kooperation. Kritik wie Apologetik zum Phantom des Kapitalismus machen dagegen aus der kapitalistischen Denkmöglichkeit eine Wirtschaft, die nur noch kapitalistisch gedacht werden soll. Bäume ersetzen den Wald. Alternative Entwicklungsmöglichkeiten, neue und besonders alte Bäume, die nicht in das kapitalistische Schema passen, werden nicht mehr erkannt. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. So wie die Monokulturen der schnell wachsenden Fichten den Wald verändert haben, hat der unerschöpfliche Geldreichtum andere Wirtschaftsweisen verdrängt.

Um dies zu revidieren, muss man die Begriffsleiter bis zu ihren Fundamenten hinabsteigen und die mit der Ideologie des Kapitalismus verdrängten Möglichkeiten neu erkunden. Die Kreislauftheoretiker der modernen Wirtschaftswissenschaft sind in ihrem Bestreben, sich an die bestehenden Machtverhältnisse und Gratifikationschancen anzupassen, dabei eher hinderlich. Sie erheben den rechtlich und wirtschaftlich begründeten Anspruch, dass die Wirtschaft der Gegenwart eine Erfindung kapitalistischen Denkens ist. Geld, Demokratie, Trennung von Wirtschaft und Staat etc. werden zu Errungenschaften der bürgerlichen Revolution, deren Veränderungen jede Wirtschaft erfasst, die eine industrielle Revolution erlebt hat.

Eigenschaften des Wirtschaftens

Auch Wirtschaft ist nur eine Betrachtungsweise gesellschaftlicher Vorgänge. Sie entwickelte sich, wo durch Nutzung der Koordinationsmöglichkeiten verschiedener menschlicher Arbeiten die Produktivität insgesamt gesteigert werden konnte und sollte. Wo der Nutzen einer Tätigkeit und ihres Erfolges als Leistung anerkannt war, viele Menschen zusammenarbeiteten und der gemeinsame zeitliche Aufwand Produktivitätsvergleiche zuließ, dort wurde die Betrachtung über Wirtschaft zur Wissenschaft.

Welche Koordinationsmöglichkeiten jeweils verfügbar waren, ergab sich aus der Anzahl der Arbeitenden, der bestehenden Arbeitsteilung, dem Grat der Steuerbarkeit und der Nutzung von gemeinsamen Arbeitsinstrumenten, den klimatischen und geographischen Gegebenheiten sowie der Verfügbarkeit von Rohstoffen.

Während die Beantwortung der Frage, welche Leistung die Tätigkeiten zu wertvoller Arbeit stempelten, von den wechselnden Bedürfnissen abhing, war die Grundlage des Zusammenwirkens durch Faktoren bestimmt, die dem Erfindungsreichtum der Menschen entsprangen. Wirtschaftshistoriker rätseln noch heute, mit welchen Methoden der Kooperation die Pyramiden von Gizeh, die chinesische Mauer, die hängenden Gärten der Semiramis oder die Steinskulpturen der Osterinseln gebaut, bewegt und konserviert wurden. Die unterschiedlichen Bestimmungen von Arbeit als Leistung beherrschte die kulturelle Entwicklung der Menschheit. Die Formen und das Bewusstsein über das „Gemeinsame“ gaben dagegen Auskunft über die Produktivität der Arbeit und waren damit entscheidend für die Beherrschbarkeit der Erde durch Menschen.

Damit ergeben sich Merkmale, die jede Wirtschaft zur optimalen Kooperation ausprägen muss, gleichgültig mit welchen ideologischen Grundlagen sie die Zusammenarbeit erreicht. Dabei zeigt sich, dass die Behauptung, der Kapitalismus sei ein besonderes, einmaliges gutes oder böses Wirtschaftssystem, falsch ist.

„Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft“ (Werner Hofmann)

Entflieht man dem Zirkelschluss, dass Wirtschaft ganz generell durch die Elemente bestimmt ist, die sich in der kapitalistischen Wirtschaftsweise am besten entfaltet haben und analysiert die Herkunft der wesentlichen Eigenschaften kapitalistischer Wirtschaftsweise, so stößt man auf Grundbegriffe von Wirtschaft, die sich nur dort offenbaren, wo das jeweilige Wirtschaftssystem sie entsprechend der eigenen Ideologie umgesetzt hat. Trotz ihrer Verkehrungen und Verdummungen ist die kapitalistische Wirtschaftsweise dann aber eine der wichtigsten Verständnisquellen für das Wirtschaften an sich. Die Ideologie des Anti-Kapitalismus ebenso wie in der kapitalistischen Ideologie die Annahme, dass in seiner heutigen Ausprägung bereits die höchste Form der Kooperation in Produktion, Verteilung und Konsumtion erreicht wurde, verstellen diesen Weg. Wir wollen den Erkenntniswert einer wissenschaftlichen Aufarbeitung einiger Grundbegriffe kapitalistischer Wirtschaftsweise demonstrieren.

Kooperation (Arbeitsteilung)

Wo Arbeit kooperativ erfolgt, beginnt die Wirtschaft, die sich zentral steuern lässt, wenn man die treibenden Kräfte dieser Kooperation versteht und optimal zu nutzen in der Lage ist. Dazu gehört die Arbeitsteilung zwischen Bauer und Schmid, Hand- und Kopfarbeiter, Produktion und Konsum. Sie hat es immer gegeben. Die Geldwirtschaft hat mit Handel und Bankwesen auch hier die Barrieren beseitigt, die sich aus der örtlichen wie zeitlichen Differenzierung der zu kombinierenden Arbeiten ergaben. Die kapitalistische Anschauungsweise hat die Geldwirtschaft für individuelle Bereicherung und die damit verbundene Macht geöffnet. Damit pervertiert sie den sozialen Charakter der Kooperation, indem das Wort „Zusammen“ grundlegend und entscheidend ist. Sie nimmt stattdessen die Arbeitsteilung als Essenz der Zusammenarbeit an und kann damit ihren Besitzindividualismus in der Logik von Wirtschaft verankern. Die Verhältnisse stehen auf dem Kopf. Arbeitsteilung ist kein Mittel der Zusammenarbeit, sondern die Zusammenarbeit ein mehr oder weniger wichtiges Mittel der Arbeitsteilung. Im Gewinn legt sich der Geldschleier über diese grundsätzliche Verkehrung.

Vorkapitalistische Formen von Wirtschaft sind hier weit reicher an Modellen des Zusammenseins. Die Elemente, die Familie, Gemeinschaft, Religion, Almosen, Vorsorge, Hilfe und Gerechtigkeit der Wirtschaft beigeben könnten, scheinen der Arbeitsteilung zu widersprechen. Doch das Gegenteil ist richtig. Die eindimensionale Arbeitsteilung über Geld und Gewinn richtet in Umwelt und Frieden so viel Schaden an, dass die Einsetzung von Wirtschaft als Kooperation Veränderungen ermöglicht, die es erlauben, systematisch das zu verwirklichen, was nachhaltige Wirtschaft leisten sollte.

Akkumulation (Kapitalbildung)

Wirtschaft als System wird möglich, wo mehrere gemeinsam arbeiten. Dies ist von Natur aus dem Menschen schon mit der Familiengründung in die Wiege gelegt. Wesentliches Mittel von Wirtschaft wird die Vorsorge. Schon die Jahreszeiten sorgen in der Produktion der Nahrung dafür, dass der Hamster zum Vorbild des Menschen wird. Nahrungsmittel müssen aufgespart und aufbewahrt (akkumuliert) werden, damit der Mensch den Winter überstehen kann. Davon lernt der Mensch zu abstrahieren und auf seinen gesamten Arbeitsprozess anzuwenden. Das Dach über dem Kopf ersetzt die Höhle, der mit Rädern befahrbare Weg das Wandern.

Die vorsorgende Produktion von Arbeitsmitteln vom Pflug über das Zugtier bis hin zur Maschine hat die Produktivität in der Landwirtschaft revolutioniert. Es war nicht der Kapitalismus, sondern die Verbreitung des Geldes, die die Industrialisierung revolutionierte. Ein Bauer, der 1900 vier Personen ernährte, konnte im Jahr 2016 schon 145 versorgen. Die kapitalistische Nutzung des Geldes, die Kapitalakkumulation, befreite die Akkumulation nur von den Grenzen einer Produktionssphäre und des Zustroms aufgesparten Kapitals.

Widerspruch

Der Grundwiderspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung, der auch als Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital, Bourgeoisie und Arbeiterklasse, Feudalsystem und Kapitalismus zum Grundprinzip des Kapitalismus (Mao Tse Dong) erklärt wurde, hat zwar eine besondere kapitalistische Ausprägung, muss aber in jeder Wirtschaft gemeistert werden.

Grundlage ist der Arbeitsprozess an sich. Vergesellschaftete Arbeit erfolgt tendenziell kooperativ. Mit ihrer Entwicklung entfällt die augenfällige Zuordnung der Produkte individueller Arbeit zu den jeweiligen Produzenten als Privateigentum. Dem Sämann gehört nicht mehr das Korn, dem Jäger nicht das erlegte Wild, dem Baumeister nicht mehr das erbaute Haus. Jede Wirtschaft, die wachsen will, muss die Bestimmung über die Verwendung der kollektiv erwirtschafteten Arbeitsprodukte von der Bestimmung durch den einzelnen Produzenten trennen und an eine Instanz delegieren, die für die kollektive Verwertung Macht, Ansehen und Mittel hat. Dabei entsteht der Eindruck, dass jeweils genutzte Bestimmungssystem (Gleichheit, Eigentum, Klassenzugehörigkeit, Meriten, Effizienz etc.) sei der logische und adäquate Grund seiner Geltung. Tatsächlich ist es umgekehrt. Über den Bestand eines Systems entscheidet sein Erfolg und nicht Logik oder Moral.

Der Kapitalismus hat den Grundwiderspruch mit einem Privateigentum gelöst, das seine Formen vom Patriachat bis hin zur Aktiengesellschaft an die Erfordernisse der Wirtschaft angepasst hat. Dabei wurde es immer wieder infrage gestellt hat sich jedoch letztlich durchgesetzt.

Mit dem Widerspruch zwischen privatem Egoismus und zunehmender Sorge um Umwelt und Frieden muss so wie sozialistische und feudale System kapitalistische Mechanismen nutzen musste, auch die kapitalistische Gesellschaft einen politischen Bereich von sich abspalten, legitimieren und mit der Macht zu Bestimmung von Richtung und Verwertung ausrüsten. Das westliche System erreicht dies mit der Monopolbildung. Milliardäre werden zu Politikern. China erreicht dies mit der Trennung von Partei und privater Wirtschaft. Beide sind aus den wirtschaftlichen Zwängen entstanden. Demokratische Ideale haben letztlich kaum eine Rolle gespielt. Es wird darauf ankommen, aus den politischen Vorstellungen insbesondere den Menschenrechten Wirtschaft und Fremdbestimmung zu integrieren.

Wettbewerb (Konkurrenz)

Die Olympischen Spiele im antiken Griechenland und ihre Nachfolger in den Sportarenen der Welt haben den Wert des Wettbewerbs zur Aktivierung kollektiver Potenziale der Menschen gezeigt. Dabei hat sich etwa beim Laufwettbewerb gezeigt, dass der Wettbewerb verschiedene Ziele hat. Die Sportler laufen auch ohne Mitbewerber gegen ihre bisherige Bestleistung (persönliche Bestzeit). Sie laufen zugleich gegen die erreichten Zeiten anderer (Landes- oder Weltrekord, Weltbestenliste) Schließlich laufen sie direkt gegeneinander, wobei die Zeit des Siegers sekundär ist.

Der kapitalistische Wettbewerb hat das Geld und damit einen allgemeinen und abstrakten Gegenstand zum Maßstab gemacht. Zudem sind im Geld Werte dargestellt, die sich nicht auf die Nützlichkeit der Ergebnisse, sondern auf die kaufkräftige Nachfrage nach diesen Ergebnissen beziehen.

Die Nützlichkeit der durch Wettbewerb optimierten Leistungen ist im Kapitalismus nur indirekt von Bedeutung. Entscheidend ist der Geldwert des Gewinns. Im Gegensatz zum Laufwettbewerb kann der Gewinn auch durch Umverteilung bestehender Vermögen erzielt werden kann. Begrifflich ersetzt die Konkurrenz den Wettbewerb. In der cut-throat competition kann dies in einer Monopolwirtschaft auch zur volkswirtschaftlichen Vernichtung von Teilen des Gesellschaftsvermögens führen, wenn vor allem Schwächere in die Insolvenz gedrängt werden. Es kann aber auch sein, dass eine kostspielige Produktionsweise zugunsten produktiverer Zentren verdrängt wird.

Kapitalismus als Toolbox

Wirtschaft ist Kooperation. Es ist die Erarbeitung von Leistungen, die für die Reproduktion der Menschen und ihrer Umwelt notwendig sind. Die Kooperation kann freiwillig oder erzwungen, global oder national, religiös oder rational, gemeinschaftlich oder gesellschaftlich organisiert sein. Sie wird in der Regel ein Gemisch aller Formen sein, ideologisch aber ihre Gefolgschaft jeweils unter ein Banner stellen. Die Bekanntesten Banner sind diejenigen, von denen Marx und Engels behauptet haben, dass sie Systeme bilden, wonach jedes eine ganze Epoche bestimmt. Urgemeinschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus und Kommunismus sollen sich dabei in logisch-historischer Abfolge durchgesetzt haben, obwohl ihre Ideen und Formen selbst in den Fußnoten zum Marx’schen „Kapital“ für jede Epoche nachgewiesen sind und mit dem Paradox der Gleichzeitigkeit der konkret-historischen Entwicklungen gerechtfertigt werden. Während die Linke den Kapitalismus durch ihre antikapitalistische Brille überall zu erkennen glaubt, sehen die Wirtschaftsliberalen in jeder Abweichung vom Kreislaufmodell im Austausch zwischen Geld und Waren das Wirken sozialistischer Vorstellungen.

Beides ist falsch. Man könnte die Vielfalt produktiver Wirtschaftsweisen und die darin enthaltenen Lösungsalternative für die Probleme der Zukunft besser erkennen, wenn die Wirtschaftsgeschichte zu einer eigenen Grunddisziplin würde, die nicht mit dem Kapitalismus, sondern schon davor mit der Nutzung des Geldes revolutioniert wurde. Einzigartig war dann allerdings die Verabsolutierung der Geldidee für jegliche soziale Kommunikation. Sie brachte mit dem Wohlstand der Industrialisierung zugleich auch die Gefahr der Zerstörung von Umwelt und Kultur. Legt man die Formen der allgemeinen wirtschaftlichen Entiwcklung für Kooperation, Akkumulation, Wettbewerb sowie der Bewältigung des Widerspruchs zwischen Arbeit und Konsum und ihre geldlichen Formen zugrunde und nimmt dem Geldgewinn die ideologische Dominanz für die Erklärung der Erwirtschaftung von Vermögen, Reichtum, Kapital und Sozialprodukt, dann könnten neue Perpsektiven für die Gestaltung der Zukunft gefunden werden.

Merkmale von Wirtschaft (Geld und Wirtschaft I, 43 ff)

 

 

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